Das Bauvorhaben könnte ein Modell dafür werden, wohin es mit dem Tourismus in der Region gehen wird
Vor der Corona-Pandemie haben 2019 rund 69.000 Gäste den Bohrerhof im Hartheimer Ortsteil Feldkirch besucht. Der landwirtschaftliche Betrieb, der vor allem für seinen Spargelanbau über die Region hinaus bekannt ist, möchte an seinen Erfolgen anknüpfen und nach der Gastronomie nun auch feste Übernachtungsmöglichkeiten anbieten.
Das neue Landhotel soll vor allem der letzte Baustein für das so geplante "Landlive"-Ressort sein - könnte aber aufgrund seiner inhaltlichen Ausrichtung auch von größerer Bedeutung für die gesamte Region werden. Denn das Konzept geht eigene Wege, ließe sich grundsätzlich auf viele andere Betriebe in Südbaden übertragen und könnte damit ein Modell dafür werden, wo es mit dem Tourismus im Breisgau und Markgräflerland in den kommenden Jahren hingehen wird.
Ziel ist viel mehr ein ländliches Urlaubsressort zu schaffen anstatt "Ferien auf dem Bauernhof" anzubieten
Wo bisher Parkplatz und Grünfläche waren, soll bis zum Ende des Jahres ein modernes Landhotel mit 64 Zimmern auf einer Nutzfläche von über 3.000 Quadratmetern entstehen. Spätestens ab Februar 2022 möchte die Gastgeberfamilie Bohrer dann die ersten Übernachtungsgäste im Empfang nehmen.
Die erste Grundidee, auf dem einstigen Ackerland am Rande von Feldkirch mehr als den reinen landwirtschaftlichen Spargelbetrieb anzubieten, ist den Bauherren Petra und Bruno Bohrer schon beim Start am heutigen Standort in den 1990ern gekommen. Nach und nach kamen der Landmarkt mit Bistro und eigener Bäckerei hinzu und später auch mit dem „Bohrers“ ein eigenständiges Restaurant, in dem auch seit Jahren eine Dinnershow und andere Saisonevents immer mehr Besucher angelockt haben.
Den eingeschlagenen Weg nun weiter zu gehen und in die Hotellerie einzusteigen, scheint aus Sicht der Familie Bohrer da nur konsequent. Ihr erklärtes Ziel ist es dabei, das Landleben in der Region für ihre Gäste von verschiedenen Seiten erlebbar zu machen – und zwar möglichst authentisch. Im Idealfall sollen landwirtschaftliche Erzeugung, Gastronomie und Landhotel Hand in Hand arbeiten, sich gegenseitig ergänzen und einen Wertschöpfungskreislauf bilden, an dem die Gäste aktiv teilhaben können.
In diese Richtung soll auch die inhaltliche Ausrichtung des Projekts gehen: Sowohl Ausflugsgäste, als auch klassische Urlauber und Geschäftsreisende sollen ein möglichst echtes und nachhaltiges Reiseziel vorfinden - „enkelsicher“ nennt das der Bauherr mit einem Lächeln im Gesicht. Und dieses Vorhaben beginnt bereits beim Gebäude an sich:
Nachhaltigkeit durch Baustoff Holz und energetisches Konzept
Ein Großteil des rund 70 Meter breiten Hotelbaus soll komplett in Holzbauweise entstehen, nicht nur die Fassade, sondern auch weite Teile des Innenausbaus. In dieser Dimension ist das bundesweit ein Pionierprojekt, betont Architekt und Diplom-Ingenieur Rudolf Lais aus Eschbach.
Obwohl Baden-Württemberg beim Baumaterial Holz im Vergleich zu anderen Bundesländern schon relativ viele Freiheiten lässt, müssten Gutachter den vielen Einzelschritten des Bauvorhabens erst einmal den Weg bereiten, weil es so bisher kaum vergleichbaren Beispiele bei der Zulassung gebe, sagt Lais und fordert hier die Politik zum Nachjustieren auf.
Im Vergleich zur herkömmlichen Beton-Bauweise lassen sich durch das Holz im Landhotel bereits rund 2.700m³ CO2 einsparen. Hinzu kommt ein umfassendes energetisches Grundkonzept: Das komplette Dach wird mit einer Photovoltaik-Anlage versehen, die am Ende auf eine Leistung von rund 620 Kilowatt kommt und weitere 500m³ Kohlenstoffdioxid pro Jahr ausgleichen soll. Am Ende kommen damit rund 80 Prozent des kompletten Strombedarfs für den Landwirtschaftsbetrieb, das Restaurant und das neue Hotel aus eigener Erzeugung.
Und auch beim Thema Temperaturregelung wollen die Planer des Landhotels einem nachhaltigeren Ansatz nachgehen. Sowohl das Heizen als auch der Kühlen der Zimmer soll komplett über Grundwasser möglich sein. Dafür wurden extra zwei große Brunnen gebohrt. Das von Natur aus kühle Wasser daraus soll in den Hotelräumen über so genannte Kühlbalken, die an den Decken verbaut sind, auch an heißen Tagen für angenehmes Raumklima sorgen.
Komplette Verwaltung übernimmt ein externer Dienstleister
Damit sich die Familie Bohrer vor Ort auch persönlich um ihre Gäste kümmern kann und trotzdem noch Zeit für den Anbau und die Verarbeitung von heimischen Spargeln, Chicoree und anderen Produkten findet, wird ein Großteil des Verwaltungsapparats hinter dem Hotelprojekt ausgelagert.
Urs Grimm vom Management-Dienstleister Unisono aus Lörrach betreut bereits neun völlig individuelle Übernachtungsbetriebe in ganz Deutschland. Er soll mit seinem Team im Hintergrund wichtige Bereiche wie die Reservierungszentrale, das Controlling oder auch das Marketing übernehmen.
Die Gäste sollen dabei vor Ort alle üblichen Annehmlichkeiten vorfinden, aber ohne, dass automatisch auch im Hotel extra Mitarbeiter dafür abgestellt werden müssen. Vom Ein- und Auschecken, über das Buchen eines Tischs im Restaurant, bis hin zu Erlebnisausflügen und Events: Vieles soll in digitaler Form bequem vor der Anreise oder vom Hotelzimmer aus auf einem Tablet zu erledigen sein.
Auf der anderen Seite sorgt das dafür, dass am Ende lediglich zehn bis fünfzehn neue Arbeitsplätze direkt im Übernachtungsbetrieb selbst entstehen werden, etwa für das Housekeeping oder für die Rezeption - welche streng genommen durch das digitale Anmeldesystem gar nicht mehr unbedingt nötig wäre.
Kein klassisches Wellness-Hotel, sondern Schwerpunkt auf Erlebnissen in der Region
Nicht nur bei der räumlichen Gestaltung, sondern auch bei den Zusatzangeboten vor Ort möchte sich das Landhotel Bohrer so gut es geht in seine Umgebung integrieren. Für die erhoffte Erholungsatmosphäre werden zwar auch ein hoteleigenes Schwimmbad und eine Sauna bereitstehen. Trotzdem will der Betrieb kein klassisches Wellness-Hotel sein. Stattdessen greifen die Aktivitäten vor Ort die hohe Nachfrage nach Fahrrad- und E-Bike-Touren im Breisgau und Markgräflerland auf.
Ein Frühstück am Wasser soll ebenso möglich sein, wie ein interaktiver Ausflug auf's Spargelfeld, Weintastings oder saisonale Aktionen wie Weihnachtsmärkte oder die bereits auf dem Hof etablierte Kürbiswelt im Herbst – das Ganze sowohl aus eigener Planung als auch in Zusammenarbeit mit externen Anbietern aus der Region.
Aus Sicht des Management-Experten Grimm geht es darum, dem Hotel auf dem Bohrerhof kein fremdes Konzept überzustülpen, sondern die Echtheit und Natürlichkeit des bereits vorhandenen Landlebens von der allerersten Konzeption an in den Mittelpunkt zu rücken.
Um die acht Millionen Euro wird das neue Landhotel die Bauherren voraussichtlich kosten. Finanziert wird das Vorhaben gemeinsam mit privaten Anlegern. Wie auch bei anderen Bauvorhaben hat die Corona-Krise zu kleineren Verzögerungen geführt, trotzdem halten alle Beteiligten einen Fertigstellungstermin bis zum Ende des Jahres für sportlich, aber durchaus realistisch.
(fw)