Große Erleichterung und ein Rest Anspannung zugleich: Freiburgs Cafés, Kneipen und Bars haben ihr erstes Wochenende nach dem Lockdown hinter sich
Die Sehnsucht nach einem ganz normalen Essen im Restaurant oder einem kühlen Getränk in der Lieblingskneipe war bei vielen Menschen in Südbaden während der letzten Monate in der Corona-Krise stark spürbar. Weil die dritte Infektionswelle gebrochen scheint und die Inzidenzzahlen in den letzten Wochen langsam wieder sinken, hat die grün-schwarze Landesregierung am Donnerstag (13.05.2021) umfassende Lockerungen für weite Teile des öffentlichen Lebens beschlossen.
In allen Landkreisen, wo die Zahlen fünf Tage lang in Folge unter dem Grenzwert von 100 lagen, durften am Samstag (15.05.2021) nicht nur die Straßencafés und Biergärten wieder öffnen, sondern auch drinnen erstmals wieder unter Pandemiebedingungen aufgetischt werden.
In Südbaden war das neben den Landkreisen Emmendingen, Breisgau-Hochschwarzwald und der Ortenau auch in der Stadt Freiburg zum ersten Mal wieder möglich. Trotz Wind und Regen in der Wettervorhersage haben sich einige Wirte deshalb auf einen regelrechten Besucheransturm eingestellt, in kürzester Zeit ihre Küchen und Bars wieder so gut es nur ging betriebsbereit gemacht und neue Hygiene-Auflagen umgesetzt. Unser baden.fm-DJ Matze war für Sie in der Freiburger Innenstadt unterwegs, um sich ein Bild über die neue Lage zu machen.
"Hausbrauerei Feierling": Das Corona-Testzentrum direkt vor dem Biergarten
Für die Freiburger Hausbrauerei Feierling in unmittelbarer Nähe zum Augustinerplatz und dem Gewerbekanal als pittoreskem Touristenmagnet war schnell klar: Sobald die Infektionslage wieder Öffnungsschritte zulässt, soll der Biergarten in der Altstadt unter entsprechenden Hygiene-Bedingungen direkt auch wieder den durstigen Besuchern bereitstehen.
Die Vorbereitungen für den Tag X liefen dabei schon länger im Hintergrund, verriet Inhaberin und Diplom-Braumeisterin Martina Feierling-Rombach im Vorfeld auf baden.fm-Anfrage.
Weil viele Stammgäste der traditionsreichen Brauerei während der letzten Monate über den Straßenverkauf am Fenster die Treue gehalten haben, musste dort kein Bier weggeschüttet werden - und das, obwohl das Feierling-Bier wegen seiner Bio-Qualität weniger lange haltbar ist als die meisten anderen Biersorten.
Mit freudigem Lächeln in der Stimme berichtet Feierling-Rombach von Kunden, die nach kurzer Zeit immer wieder in der Warteschlange aufgetaucht sind, einfach um während der Pandemie zumindest ein paar Sozialkontakte zum Vordermann zu pflegen.
Nicht nur die Brauerei-Mitarbeiter müssen nun regelmäßig auf das Coronavirus getestet werden. Die neue Corona-Verordnung des Landes sieht vor, dass auch Gäste nur dann in den Biergarten dürfen, wenn sie einen tagesaktuellen Negativ-Test vorweisen können - oder alternativ einen Nachweis über vollständige Impfung seit 14 Tagen oder über eine Genesung seit mehreren Monaten nach einer durchgemachten Covid-19-Infektion.
Nicht nur die Kontaktnachverfolgung, sondern auch noch das zu kontrollieren, sorgt bei vielen anderen Wirten in Freiburg für Unsicherheiten. Im Feierling-Biergarten legen die Mitarbeiter auf die Einlassbestimmungen großen Wert und müssen jeden einzelnen Nachweis genau durchgehen, erklärt Junior-Chef Julius Feierling-Rombach.
Gleichzeitig hat er mit seinem Familienbetrieb das große Glück, direkt vor dem Eingang ein städtisches Corona-Testzentrum stehen zu haben. So können sich die frisch Getesteten in aller Regel direkt vor Ort danach einen Platz sichern.
Und tatsächlich haben sich trotz wechselhaft-kühlem Wetter zum ersten Biergartenbesuch in diesem Jahr einige Menschen vor der Brauerei zusammengefunden. Doch vom dichten Gedränge an den Bierbänken, wie man es aus dem Sommer vor der Pandemie kannte, erinnert hier nichts. Zwischen den Gartentischen sind große Abstände, alle Gäste halten bei unserem Besuch akribisch den Abstand ein.
Im Innenbereich der Brauerei auf der anderen Straßenseite wäre das durch die räumlichen Verhältnisse manchmal schwierig geworden und es hätte noch einmal zusätzliche Einbahnstraßen als Laufwege benötigt. Deshalb bleibt die Innengastronomie bei Feierling bis auf Weiteres noch geschlossen, obwohl rein rechtlich auch hier eine Öffnung schon theoretisch möglich wäre.
Und auch kulinarisch soll sich in den nächsten Tagen und Wochen noch einiges steigern, sagt Feierling-Rombach. Auf die Schnelle konnten die Betreiber für die Gäste nur Brezeln in großer Stückzahl organisieren. Für die normale Biergarten-Karte wären einfach die Lieferanten nicht so kurzfristig hinterhergekommen.
Und auch beim Personal tut sich etwas: Obwohl viele Servicemitarbeiter der Brauerei während der langen Durststrecke die Treue gehalten haben, mussten sich gerade bei den nicht-festen Aushilfen manche andere Jobs suchen, um finanziell über die Runden zu kommen.
"Omas Küche": Bewusste Entscheidung gegen einen verfrühten Start und für mehr Qualität
Wer ebenfalls bald wieder für hungrige Gäste öffnen möchte, sich aber bewusst gegen einen kurzfristigen Start direkt am Samstag entschieden hat, das ist das Team der traditionsreichen "Omas Küche" gegenüber vom Alten Wiehrebahnhof.
Dort zeichnet neuerdings Küchenchef Stefan Koch die kulinarische Linie mit. Er hatte bis 2020 das Kulinarium Emmendingen geleitet und war unter anderem 2011 schon mit verantwortlich für das Gourmet-Catering der royalen Hochzeit im britischen Königshaus von Prinz William und seiner Frau Kate Middleton.
Er kritisiert ebenso wie Inhaberin Sabine Hahn, dass die meisten Gastronomen nach der Entscheidung des Landesregierung am Vatertag nur einen einzigen Tag Zeit hatten, um die möglichen Öffnungen in die Wege zu leiten. Beide sind davon überzeugt, dass es nach mehr als sieben Monaten Zwangspause deutlich mehr Zeit braucht, um eine Küche wieder auf das gleiche Qualitätslevel hochzufahren wie vor dem Lockdown.
Und das hängt nicht nur davon ab, wie schnell Lieferanten Lebensmittel ins Restaurant bringen können. Sondern auch die eigentlichen "Mise-en-Place"-Vorbereitungen in der Küche dauern nach Kochs Erfahrung realistisch gesehen fünf bis sechs Tage. Erst dann hat das Team wieder genügend Zutaten zu Flammkuchenteiglingen, Soßenansätzen oder aufwändigen Dessert-Grundrezepten verarbeitet, um damit saisonal und auch frisch im Restaurantbetrieb weiterarbeiten zu können.
In Omas Küche soll es natürlich bald wieder eine vollständige Speisekarte geben, wie die Gäste sie auch vom letzten Sommer und Herbst gewohnt waren, sagt Koch und will zusätzlich die Chance nutzen, um neue Nuancen zu setzen: Vom Cäsar-Salat bis zum Waldpilzrisotto, vom besonderen Flammkuchen bis zum altbewährten Schnitzel.
Trotzdem hat er die Karte erst einmal auch noch in eine Auszugs-Variante umgewandelt, um für alle Fälle gewappnet zu sein. Denn für ihn und viele seiner Kollegen in Südbaden lässt sich derzeit noch nicht absehen, wie sich die Inzidenzzahlen in Freiburg weiter entwickeln werden.
Das Horror-Szenario vieler Wirte wäre, nach der monatelangen Durststrecke und den großen Mühen des Neustarts nun nach nur wenigen Tagen oder Wochen wieder schließen zu müssen, weil die 7-Tage-Inzidenzen wieder über die kritische Marke von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner ansteigen.
Eine schnelle Rückkehr des Corona-Notbremse des Bundes und zu reinen To-Go-Verkäufen wäre nicht nur aus moralischer Sicht ein Rückschlag, sondern für viele ein zusätzliches wirtschaftliches Fiasko. Denn auch das Geschäft von Gerichten zum Mitnehmen war in den Wintermonaten nicht so berauschend wie im ersten Lockdown, ergänzt Hahn.
Wichtig war ihr, das Miteinander im Team auch während der schwierigen Auszeit zu bewahren. Und auch von den Stammgästen kamen immer wieder aufmunternde Gesten, entweder in Form von Durchhalte-Parolen oder sogar als großzügige Spende als Zusatz zu den staatlichen Hilfen.
Trotz der Unsicherheiten, wie sich die Lage weiterentwickeln wird, wollen sich Hahn und Koch nicht entmutigen lassen. Sie planen für Omas Küche eine Wiedereröffnung am kommenden Mittwoch (19.05.2021) und dann immer von mittwochs bis sonntags. Die Hoffnung war für beide immer da, die Krise bewältigen zu können und sie freuen sich jetzt über die Chance, wieder richtig loslegen und ihre Gäste empfangen zu können.
Hahn versteht Gastronomie dabei nicht nur als Nahrungsaufnahme, sondern immer auch als sozialen Akt, bei dem sich Menschen austauschen, miteinander bei einem guten Essen oder einem guten Getränk ins Gespräch kommen und sich einander annähern.
"SKAJO": Die ersten Abendreservierungen sind zufriedenstellend, die Betreiber optimistisch
Mit seiner großen Lounge-Terrasse über den Dächern Freiburgs und dem unverbauten Blick auf das Freiburger Münster zieht das Rooftop-Restaurant SKAJO in der Kaiser-Joseph-Straße seit einiger Zeit nicht nur klassisches Restaurant- und Barpublikum an, sondern auch viele Gäste, die einfach bei einem kleinen mediterranen Snack oder einem Cocktail den besonderen Ausblick genießen möchten.
Geschäftsführer Volker Beck ist mit den Reservierungen für den ersten Abend zufrieden, hofft aber noch auf etwas mehr Publikum. Er glaubt, dass sich viele seiner Gäste auch erst wieder an die Öffnungen gewöhnen müssen, weil es eine sehr lange Zeit her ist, seitdem sie das letzte Mal ein Restaurant von Innen gesehen haben. Auch bei der SKAJO-Gastronomie hat man sich dazu entschieden, die Karte vorübergehend ein wenig abzuspecken, um flexibel auf den kurzfristigen Start reagieren zu können.
Neben den beglaubigten Corona-Testnachweisen von den Teststationen oder der Alternativen wird auch die Maskenpflicht die Gastronomie noch eine Weile lang begleiten, glaubt Beck. Aktuell müssen am Tisch während des Essens natürlich keine Mund-Nasen-Bedeckungen getragen werden. Anders sieht das allerdings auf dem Weg zum reservierten Platz aus oder wenn der Gast mal eben auf die Toilette muss.
Beck möchte nun den Blick vor allen Dingen nach vorn richten und hofft, dass es nun für seine Branche wieder Schritt für Schritt bergauf gehen wird.
"Erste Liebe": Die Freude der Gäste ist schon wieder da - doch es wissen noch nicht alle davon
Gastronomisch breit aufgestellt ist das Restaurant Erste Liebe am Freiburger Holzmarkt in direkter Nähe zu Amtsgericht, Uni-Campus und dem Martinstor.
Morgens holen sich hier viele Studierende ihren ersten Cappuccino zum Mitnehmen oder gönnen sich ein Frühstück, mittags kommen die Geschäftsleute zum Business Lunch und abends wurde hier vor der Pandemie bei einem Drink, Sekt oder Wein fleißig kennengelernt und gefeiert. Und auch beim TV-Wettbewerb "Mein Lokal - Dein Lokal" war der Laden während der Corona-Krise zuletzt zu sehen.
Bei unserem Besuch ist hier auch Drinnen einiges los - die Besucher lachen, unterhalten sich und wären eigentlich auch schon nachmittags in richtiger Feierlaune. Die Begeisterung steckt auch das Personal an, meint Barchef Scott Sope und das wohlgemerkt schon am ersten Tag.
Für die Betreiber war es sehr wichtig, auch die Info weit über die sozialen Netzkwerke zu streuen, dass die Erste Liebe nun wieder aufmacht, um überhaupt wieder richtig wahrgenommen zu werden. Vor Ort schätzen die Mitarbeiter, dass es wohl noch ein paar Tage braucht, bis die Kunden erst wieder richtig realisieren, dass in der Gastronomie wieder ein Stück Normalität zurückkehren kann, solange das Infektionsgeschehen mitspielt und alle vorsichtig bleiben.
"Riva Bar": Erfrischende Nachmittags-Drinks anstatt pulsierendes Nachtleben
Bunt bestuhlt und mit großen Sonnenschirmen versehen sind auch wieder die auffälligen Außensitzbereiche der Riva Bar an der Kaiser-Joseph-Straße hinter dem Martinstor. Barbetreiber Ahmet Erpirt konnte die verordnete Auszeit für seinen Laden zwar für aufwändigere Umbauarbeiten nutzen.
Trotzdem ist er heilfroh darüber, dass nun zumindest tagsüber wieder die ersten Gäste kommen und anstoßen dürfen. Momentan hat die Bar zwischen 14 und 21 Uhr geöffnet, danach heißt es für alle Arten von Gastronomie in Baden-Württemberg bis auf Weiteres Sperrstunde.
Gerade denjenigen, die normalerweise ihr Geld mit dem Nachtleben verdienen, dürfte das einiges an Kreativität abverlangen, damit sich die Öffnung auch wirtschaftlich für sie lohnt. Erpirt hofft deshalb darauf, dass der Stufenplan der Landesregierung auch spätere Schließzeiten mit sich bringen wird, sobald die Infektionszahlen landesweit auf noch niedrigeres Niveau fallen.
(fw)