Der Freiburger Rathauschef betont, wie wichtig einheitliche Regelungen in der aktuellen Situation sind
Ab Samstag (20.03.2020) gelten in ganz Baden-Württemberg neue Regeln für das öffentliche Zusammenleben. Um etwas gegen die rasant steigende Zahl an Infektionen mit dem Coronavirus zu unternehmen, schränkt die Landesregierung den Alltag der Bürger im Land weiter ein. Einer der bundesweiten Vorreiter für diese drastischeren Schritte war die Stadt Freiburg, als sie am Donnerstagabend (19.03.2020) so genannte Betretungsverbote für öffentliche Orte angekündigt hat.
Im Interview mit Reyk aus dem Schönen Morgen bei baden.fm erklärt Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos) den Hintergrund der Maßnahmen und geht dabei auch auf die momentan häufigsten Fragen der baden.fm-Hörer ein.
Die Entscheidung ist demnach auch dem Rathauschef nicht leicht gefallen. Er betont dabei zunächst noch einmal die Unterschiede zwischen dem Freiburger Modell von Betretungsverboten und einer richtigen Ausgangssperre. Letztere sind noch einmal deutlich härter. Bei den Betretungsverboten gibt es hingegen eine Reihe fester Ausnahmen, zu denen die Menschen weiter aus ihren Häusern dürfen. Die Aufforderung, zuhause zu bleiben, steht in Freiburg zwar klar.
Das Haus nur für die dringendsten Anliegen verlassen
Aber wer auf dem Weg zur Arbeit ist oder die alltäglichen Einkäufe erledigen muss oder einen Arzttermin hat, darf dem ohnehin nachgehen. Im Kontrast dazu wäre es nun auch ab Samstag weiterhin möglich, für einen Spaziergang alleine oder mit den Familienmitgliedern ins Freie zu gehen oder Sport zu treiben. Andere Personengruppen außerhalb des eigenen Haushalts sind davon allerdings ausgenommen, um die Infektionsgefahr einzudämmen. Freunde oder andere Verwandte besuchen ist in der aktuellen Situation hingegen erst einmal nicht drin.
Horn spricht von einer drastischen Maßnahme, gleichzeitig freut er sich über den weitgehend großen Rückhalt aus der Bevölkerung und aus der Landespolitik. Die grün-schwarze Landesregierung war am Freitag (20.03.2020) nachgezogen und hatte weitere Einschränkungen für das öffentliche Leben verkündet. Dazu zählt beispielsweise die Schließung aller Gaststätten, wenn sie nicht ausschließlich einen Lieferservice, Take-Away-Angebote oder einen Drive-In anbieten.
Freiburg wollte mit der Anordnung einen klaren Schnitt machen - auch deshalb, weil sich die Lage im benachbarten Elsass immer weiter zugespitzt hat und die Entscheidungsträger in Südbaden noch die Hoffnung haben, dramatische Szenen wie dort abschwächen zu können:
Der Oberbürgermeister berichtet in diesem Zusammenhang von dem Vorgehen erster Mediziner in Frankreichs Krankenhäusern. Auch im Einzugsgebiet von Mulhouse oder Colmar mussten sich Ärzte zuletzt dazu entscheiden, jüngeren Patienten auf der Intensivstation den Vorrang an den Beatmungsgeräten zu überlassen, weil die Plätze bei Weitem nicht ausreichen. Doch auch auf südbadischer Seite entwickelt sich die Situation bisher immer weiter in eine Richtung, wie besorgniserregende Berechnungen das vorhergesagt hatten.
Aufruf des OBs: "Egoismen zurückdrängen und das Gemeinwohl und die Menschen rechts und links um sich schützen!"
Insgesamt ist aus Horns Sicht auch die regionale Abstimmung aller anstehenden Einschränkungen für das öffentliche Leben wichtig. Wenn Freiburg beispielsweise Beetretungsverbote verhängt, aber die Umlandgemeinden weiterhin alle Treffen von Gruppen erlaubten, würde das für eine Schieflage sorgen, die im Ernstfall sogar zu einer weiteren Ausbreitung des Erregers beitragen könnte.
Die Stadtverwaltung beobachtet sehr genau, dass es schon viele Menschen gibt, die sich sehr an die Verbote und Appelle von Politik und Polizei halten - andere sind da weniger einsichtig und wollen den Ernst der Lage auch nicht begreifen, glaubt Horn. Auch das war letztendlich Auslöser zu sagen, nicht mehr weiter nur auf die Vernunft der Menschen zu vertrauen.
Einkäufe im Supermarkt: "Es ist genug für alle da."
Auch in Richtung von Hamsterkäufern hat Horn einen dringenden Aufruf:
Sie als Freiburgerinnen und Freiburger, die Menschen vor Ort, Sie haben es in der Hand. Hören Sie auf, über Monate im Vorraus alles zu horten zun zu hamstern. Es ist genug für alle da, wenn Sie für ein bis zwei Wochen im Vorraus einkaufen. Aber es ist nicht mehr genug für alle da, wenn Sie sich auf einmal für zwölf Monate mit Klopapier im Vorraus eindecken. Das ist total irrational und übrigens auch auch nicht sozial.
Hier hoffen Land und Stadtverwaltung vor allem mit den entzerrten Ladenöffnungszeiten entgegensteuern zu können. So dürfen Geschäfte für den dringenden täglichen Bedarf nun auch sonntags öffnen.
In der Praxis haben sich dazu allerdings noch nicht allzu viele entschlossen, auch deshalb, weil dazu erst zusätzliches Personal nötig wäre und die vorhandenen Supermarkt-Mitarbeiter häufig schon jetzt wegen der überhöhten Nachfragen eine Überstunde an die nächste reihen.
(fw)