Es geht um den gewaltsamen Tod und die Vergewaltigung der Freiburger Studentin Maria
Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen beginnt am Dienstagmorgen (05.09.2017) der Mordprozess am Freiburger Landgericht nach dem tödlichen Sexualverbrechen an der Dreisam. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Hussein K. den Mord und die schwere Vergewaltigung der 19-jährigen Medizinstudentin Maria L. vor. Der junge Mann soll sich im Oktober 2016 an der jungen Frau auf dem Nachhauseweg von einer Party vergangen haben. Ihre Leiche war am Tag darauf in der Dreisam entdeckt worden.
Für die großangelegte Verhandlung hat die Justiz zunächst sechszehn Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil kann damit frühestens Anfang Dezember fallen. Das Landgericht rechnet für den öffentlichen Prozess mit einem regelrechten Zuschaueransturm und reagiert mit scharfen Kontrollen und Beschränkungen beim Einlass. Das öffentliche Interesse ist groß: Von den rund 150 Sitzplätzen ist ein gutes Drittel mit Pressevertretern aus Deutschland und aller Welt besetzt.
Vor Gericht sollen über 45 Zeugen und zehn Sachverständige zu Wort kommen. Den Auftakt macht der Kripo-Beamte, der die Ermittlungen der Sonderkommission gegen den Angeklagten geleitet hatte. Mit teilweise bis zu 63 festen Ermittlern gleichzeitig hatte die Soko nach dem Leichenfund über 2350 mögliche Zeugen vernommen und war rund 2100 Hinweisen nachgegangen. Die Eltern der getöteten Maria werden bei dem Prozess als Nebenkläger auftreten. Sie hatten wenige Tage vor Beginn der Verhandlung öffentlich ihr Vertrauen in die Arbeit der Justiz ausgedrückt. Ob Hussein K. aussagen wird, ist ungewiss. In Untersuchungshaft hatte er sich zu allen Vorwürfen bisher in Schweigen gehüllt.
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- Unter Ausschluss der Öffentlichkeit werden nun persönliche Details aus Husseins Vergangenheit besprochen. Die Medienvertreter haben jetzt keinen Zutritt mehr zum Gerichtssaal.
- Überraschung: Hussein K. will sich heute nun doch nicht vor Gericht zu den Tatvorwürfen äußern. Er sagte, dass er sich zu müde fühle. Das Gericht hat dem stattgegeben.
- Die Eltern des Opfers nehmen, wie erwartet, nicht an der Verhandlung teil.
- Momentan ist die Verhandlung wieder für eine Pause unterbrochen. Gegen 15 Uhr geht es dann wieder weiter. Dann macht der Angeklagte wahrscheinlich die ersten Aussage zu den schweren Vorwürfen, zu der Vergewaltigung und zum Mord an der Studentin Maria L.. Im Anschluss daran - unter Ausschluss der Öffentlichkeit - wird es dann noch einmal um die Vorgeschichte von Hussein K. gehen. Es stehen Vergewaltigungserlebnisse und Missbrauch in Afghanistan im Raum.
Der mutmaßliche Mörder spricht über seine Vergangenheit
- Husseins Alltag in Südbaden war zwiegespalten: Einerseits kam er nach einem Aufenthalt in Heimen in Oberrimsingen und im Münstertal zu einer Pflegefamilie. Dort hatte er 400 Euro Taschengeld, eine eigene Wohnung und auch die Schule besucht. Gleichzeitig waren die Tage aber geprägt von psychischen Problemen, Alkohohl und Drogen. Eigentlich wollte er nie hier bleiben, sagte er heute vor Gericht, sondern nach Schweden weiterreisen. Ein Freund hatte ihn offenbar aber dazu gezwungen in Südbaden zu bleiben.
- Im Mordprozess gegen Hussein K. soll die Öffentlichkeit später in Teilen ausgeschlossen werden. Die Zuschauer sollen dann den Saal verlassen, während der Beschuldigte unter anderem Angaben zu seiner Sexualbiografie machen soll. Weitere Angaben zur Person des Angeklagten will das Landgericht Freiburg aber öffentlich anhören lassen.
- Auch auf seine Zeit in Deutschland ist der Angeklagte eingegangen. Er habe über Monate mit Freunden Haschisch geraucht, getrunken und auch regelmäßig Heroin konsumiert. "Das war unser Leben", so seine Aussage.
- Hussein K. hat jetzt auch Aussagen zu seiner Lebensgeschichte gemacht und von seinem Lebensweg erzählt. In Afghanistan geboren und aufgewachsen, sei er nach etwa 13 Jahren in den Iran gekommen. Nach "Problemen mit der Polizei" flüchtete er in die Türkei, von dort nach Griechenland und dann nach Deutschland. In Griechenland habe er nichts zu essen gehabt. Er habe dort von Müll und zeitweise auch ohne Bleibe gelebt. Zu der ihm dort vorgeworfenen weiteren Gewalttat wurden keine Fragen zugelassen.
Der Angeklagte gibt zu über sein Alter gelogen zu haben
- Brisant: Der Angeklagte hat zugegeben, über sein Alter gelogen zu haben. Bei der Ankunft in Deutschland im Jahr 2015 sei er bereits 18 und nicht, wie damals von ihm behauptet, 16 Jahre alt gewesen. Weiter hat er angegeben, dass er zur Schule gehen wollte. "Wenn man minderjährig ist, ist die Situation in Deutschland besser.", so seine Aussage heute vor Gericht. Er hat sich in Freiburg auch als minderjährig ausgegeben, weil er dann bessere Hilfen bekommen würde.
- Der Verteidiger des Angeklagten, Sebastian Glathe, hat soeben in einem Pressestatement gesagt, dass er selbt überrascht sei, dass sich Hussein K. zu den Tatvorwürfen äußern möchte.
Hussein K. wirkt sehr benommen
- Zwei weitere Altersgutachten sollen im weiteren Verlauf des Prozess die Annahme untermauern, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt mindestens 22 Jahre war. Während Hussein K. angibt, 19 Jahre alt zu sein, hält die Staatsanwaltschaft ihn für mindestens 22. Zudem soll der Angeklagte nach Gerichtsangaben im Iran geboren sein - bisher hieß es, er stamme aus Afghanistan.
- Fragen zu einer weiteren Gewalttat an einer jungen Frau in Griechenland vor seiner Flucht nach Deutschland wurden im Prozess nicht zugelassen.
- Die größte Überraschung des Tages ist, dass sich Hussein K. zu der Tat äußern wird. Viele Experten hatten damit gerechnet, dass er schweigen wird.
- Die heutige Verhandlung wurde zwischenzeitlich unterbrochen. Sie geht aber um 10:30 Uhr wieder weiter.
- Der Leiter der Sonderkommission wird heute wohl nicht mehr angehört. Eigentlich war das für heute geplant.
Die ersten Aussagen Husseins
- Hussein K. hat selbst auch schon die ersten Worte verlauten lassen. Zunächst meinte er, er habe nichts zu sagen, dann sagte er aber: "Ich werde aussagen, auch ohne Untersuchung". Vor seiner ausführlichen Aussage soll Hussein K. wohl erst noch medizinisch untersucht werden, weil unklar ist, in welcher Verfassung sich der Angeklagte nach der Einnahme des starken Beruhigungsmittels befindet.
- Hussein K. macht einen sehr schläfrigen Eindruck. Er hat heute Morgen in der Zelle eine Tablette Tavor eingenommen. Das ist ein starkes Beruhigungsmittel. Es wird vor allem zur Verhinderung von Suizid und Angstzuständen verwendet. Wozu er es verwendet hat und wie lange schon, ist noch unklar.
Der Angeklagte will sich zur Tat äußern
- Husseins Verteidiger hat gesagt, dass sich der Angeklagte zu den persönlichen Verhältnissen und zur Sache selbst äußern will. Bislang hat der mutmaßliche Sexualverbrecher zu den Tatvorwürfen nichts gesagt. Die Verteidigung möchte, dass die Aussagen Husseins zu seiner persönlichen Vorgeschichte und damit auch zu seiner Drogenvergangenheit unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, damit die Persönlichkeitsrechte geschützt werden. Die Staatsanwaltschaft ist dagegen und will das öffentliche Interesse wahren. Auch die Nebenklage, die die Eltern des Opfers vertritt schließen sich der Meinung der Staatsanwaltschaft an.
- Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Hussein K. mindestens 19 Jahre alt war, als er die Tat beging.
- Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile die Anklage verlesen. Hussein K. soll der Radfahrerin (Maria L.) in den Lenker gegriffen und ihren Mund zugehalten haben. Außerdem habe er sie gewürgt und ihren Tod billigend in Kauf genommen, so der Vorwurf. Maria soll dabei keine Chance gehabt haben, um Hilfe zu rufen. Hussein K. soll Maria würgend in Richtung Dreisam gezogen und auf einen unbeleuchteten Grünstreifen gezogen haben. Danach hat er laut Anklage das wahrscheinlich schon bewusstlose Opfer entkleidet, in Brust und Kopf gebissen und brutal sexuell missbraucht. Anschließend soll der Beschuldigte die bewusstlose Frau in der Dreisam abgelegt haben. Laut Staatsanwalt wollte er, dass sie ertrank. Zudem sollte das Wasser Spuren an ihrem Körper verwischen. Das Opfer hätte den Angriff wohl überlebt, wenn Hussein K. es nicht mit dem Kopf unter Wasser in der Dreisam abgelegt hätte, so die Staatsanwaltschaft. Maria ist letztlich durch Ertrinken gestorben. Der Vorwurf: Mord in Tateinheit mit schwerer Vergewaltigung. Es wurde eine Sicherungssverwahrung gefordert.
- Hussein K. trat mit gesenktem Haupt und Fußfesseln in den Gerichtssaal. Augen veerschlossen, keine erkennbare Mimik. Er trägt einen roten Pullover, Jeanshose und Lederschuhe. Seine Haare sind dunkel und nach vorne gekämmt. Zwei Justizbeamte begleiten ihn in den Gerichtssaal.
Großes Interesse, hohe Sicherheit
- Die Sicherheitsvorkehrungen rund um den aufsehenerregenden Prozess sind stark. Viele Polizisten sichern das Landgericht ab. Zusätzlich zu den Taschen- und Personenkontrollen im Gerichtsgebäude hat auch die Polizei eine spontane Demonstration der AfD mit 8 Teilnehmern verhindert. Von weiteren Zwischenfällen ist momentan nichts bekannt.
- Wer in Freiburger mit der Straßenbahn fahrer möchte, muss wohl mit Einschränkungen rechnen. Bei der Linie 1 kann es zu Verzögerungen kommen. Der Grund: Die Linie führt direkt am Gerichtsgebäude vorbei und wird offenbar behindert.
- Die AfD-Jugend wollte heute eigentlich eine Demonstration durchführen. Diese wurde aber aus Sicherheitsgründen von den Behörden abgelehnt. Die Jugendgruppe hat sich jetzt auf dem Augustinerplatz versammelt und baut dort einen Informationsstand auf, so die Polizei zu baden.fm. Zu einer im Internet organisierten Gegenveranstaltung kamen rund 50 Angehörige des linken Spektrums. Beide Gruppen hätten Parolen gerufen, die Polizei habe nicht eingreifen müssen, hieß es.
- Einige Gegendemonstranten waren mit einem Pfeifkonzert und Rufen im Gerichtsgebäude zu hören.
- In diesen Minuten (9:15 Uhr) hat mit leichter Verzögerung der Prozess vor dem Freiburger Landgericht begonnen. Der Andrang vor dem Gerichtsgebäude war riesig. Bereits vor dem Einlass um 8 Uhr hat es lange Warteschlangen gegeben. Rund 150-200 Menschen wollten den Prozessauftakt als Zuschauer verfolgen, darunter 50 akkreditierte Medienvertreter. Nicht nur das mediale, auch das Interesse der Bürger ist immens.
Rückblick: Das wissen die Ermittler bereits über das tödliche Sexualverbrechen an der Dreisam
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Was ist damals am Dreisamufer passiert?
Nach einer Party im Freiburger Institutsviertel hatte sich die 19-jährige Medizinstudentin Maria L. in der Nacht auf den 16. Oktober 2016 mit ihrem Fahrrad auf den Nachhauseweg in Richtung des Stadtteils Littenweiler gemacht. Dort kam sie nie an. Am nächsten Morgen hat die Polizei die Leiche der jungen Frau aus der Dreisam geborgen. Schnell stand fest: Sie wurde vergewaltigt und ihr bewusstloser Körper im Fluss abgelegt. Im Wasser ist sie anschließend ertrunken.
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Wie sind die Ermittler dem Verdächtigen auf die Spur gekommen?
Über akribische Ermittlungsarbeit konnten Polizei und Staatsanwaltschaft am Ende den afghanischen Flüchtling Hussein K. als mutmaßlichen Täter festnehmen. Im sichergestellten Dornengebüsch neben dem Leichenfundort von Maria haben die Ermittler ein einzelnes, auffällig gefärbtes Haar des jungen Mannes gefunden. Darüber hatten sie einen ersten Anhaltspunkt, ein DNA-Abgleich bestätigte den Verdacht. Auf den Aufnahmen der Überwachungskameras einer Freiburger Straßenbahn konnte die Polizei dann einen Verdächtigen mit solcher Frisur erkennen, der in der Tatnacht in der Nähe unterwegs war. Bei der anschließenden Fahndung haben zwei Streifenpolizisten dann Hussein K. als den Gesuchten wiedererkannt und festgenommen.
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Wie lautet die Vorgeschichte des Angeklagten?
In Freiburg hatte sich Hussein K. als minderjähriger Flüchtling aus Afghanistan ausgegeben und bei einer Pflegefamilie im Stadtteil Littenweiler gelebt. Wie nach seiner Festnahme allerdings herauskam, hatte ihn ein Gericht in Griechenland bereits im Jahr 2013 zu zehn Jahren Gefängnis wegen einer Gewaltstraftat an einer Frau verurteilt. Er hatte sein Opfer damals von einer Klippe gestoßen - die Studentin überlebte den Sturz schwer verletzt. Unter Auflagen war Hussein K. in Griechenland jedoch wieder nach nur zwei Jahren vorzeitig auf freien Fuß gekommen und offenbar untergetaucht, bis ihn sein Weg über Österreich nach Deutschland führte - ohne Pass und ohne europäischen Fahndungsvermerk. Deutsche Politiker hatten den griechischen Behörden deshalb massive Fehler vorgeworfen. Unklar ist weiterhin das genaue Alter des jungen Mannes. Während er selbst angegeben hat, zum Zeitpunkt seiner Einreise noch minderjährig gewesen zu sein, geht ein medizinisches Gutachten davon aus, dass er mindestens 22 Jahre alt gewesen ist. In Untersuchungshaft hat sich Hussein K. bisher zu allen Vorwürfen ausgeschwiegen.
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Welche Strafe droht Hussein K. bei einer Verurteilung?
Die Staatsanwaltschaft hat ihn bewusst vor der Jugendkammer des Freiburger Landgerichts angeklagt, um möglichen Verfahrensfehlern vorzubeugen - etwa, wenn sich herausstellen sollte, dass Hussein K. tatsächlich noch minderjährig war. Dort kann sich das Gericht allerdings selbst entscheiden, ob es bei einem möglichen Urteil Jugendstrafrecht oder Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung bringt. Im ersten Fall können ihm dann bis zu 15 Jahre Gefängnis drohen, ansonsten wäre es automatisch eine lebenslange Freiheitsstrafe. Ob die Anklage zusätzlich noch eine Sicherungsverwahrung beantragt, hat sie sich vorerst offen gehalten.
(fw & dz)