โ€” ยฉ Paquet - dpa

Menschen und ihre Geschichte: Ein Lehrer aus dem Sudan

account_circletoday 06. Oktober 2015
Anzeige

 

Menschen und ihre Geschichte - Wir von baden.fm mรถchten den Flรผchtlingen hier bei uns in Sรผdbaden nach ihren teils monatelangen Flucht vor Krieg, Verfolgung und extremer Armut ein Gesicht geben - und ihnen auch die Mรถglichkeit, ihre Erfahrungen mit der ร–ffentlichkeit zu teilen. In den Unterkรผnften haben wir deshalb mit vielen der Menschen gesprochen, รผber die Bedingungen in ihren jeweiligen Heimatlรคndern, รผber ihre persรถnlichen Grรผnde, weshalb sie von dort geflohen sind, รผber ihre Erlebnisse wรคhrend der Flucht  - aber auch รผber die Aufnahme hier in Deutschland und ihre Plรคne, Ziele und Trรคume.

Wir warten jetzt auf eine Entscheidung

Ich komme aus dem Sudan und bin รผber ร„gypten nach Deutschland gekommen. รœber zwanzig Tage lang waren wir dafรผr auf hoher See unterwegs, bis wir an der italienischen Mittelmeerkรผste angekommen sind. Dort haben wir so ungefรคhr drei weitere Tage verbracht, von dort ging es dann nach Deutschland. Hier leben sehr viele freundliche Menschen, die mit uns einverstanden sind und uns sofort mit dem Nรถtigsten versorgt haben, Kleidung, Lebensmittel. Hier in Freiburg sind wir in einem sehr groรŸen Camp untergekommen. Hier warten extrem viele Menschen auf die Entscheidung der Regierung, darรผber, ob wir bleiben dรผrfen und arbeiten und unsere Kinder in die Schule schicken. Wir sind jetzt seit zehn Tagen in der Unterkunft und wissen noch immer nicht, was mit uns passieren wird.

 โ€” ยฉ Paquet - dpa
Paquet - dpa

Ungleiche Chancen haben Bรผrgerkrieg im Sudan ausgelรถst

Der Sudan ist ein sehr weitlรคufiges Land. Es gibt unzรคhlige verschiedene Stรคmme und Clans, aus Afrika und den arabischen Lรคndern. Aber das Hauptproblem im Sudan ist ein Krieg zwischen den Regierungstruppen und den Rebellen. Jeder hat natรผrlich Grundbedรผrfnisse, nach Arbeit, Bildung, nach Gesundheit und so weiter. Die Regierung garantiert das nur manchen Leuten und nicht dem ganzen Volk. Das hat einen Bรผrgerkrieg darรผber ausgelรถst, was sie eigentlich vom Staat erhalten sollten. Wenn du dich nicht mit ihnen gut stellst, findest du keinen Job und kannst deine Familie nicht ernรคhren. Ohne die Zustimmung der Regierung kannst du รผberhaupt nichts machen. Und sie achten auch darauf, allein wenn du aus einem bestimmten Gebiet kommst, dann erlauben sie dir rein gar nichts. Diese Probleme sind daran Schuld, dass wir den Sudan verlassen mussten, in alle mรถglichen Richtungen.

Jahrelang auf teure Flucht sparen

Meine Flucht hat gut und gerne zwei Monate in Anspruch genommen. Die meiste Zeit davon habe ich in ร„gypten verbracht, um dort an genug Geld zu kommen, um mir die teure รœberfahrt leisten zu kรถnnen โ€“ umgerechnet um die 300 Dollar. Normalerweise muss man auf so viel Geld drei Jahre lang sparen. Aber tatsรคchlich sind viele Menschen aus meinem Land รผber die Grenzen nach ร„gypten oder Libyen. Wenn man genug Geld hat, kann man dem Sudan schon entkommen. Die Leute mit besonders gutem Einkommen kรถnnen sogar ihre Familien mitnehmen. Aber fรผr uns kam das nicht in Frage, weil wir es uns einfach nicht leisten konnten, sie mitzunehmen. Mein Vater und meine Brรผder sind im Land geblieben, aber stecken jetzt in groรŸen Schwierigkeiten. Ich hoffe, dass die deutschen Behรถrden oder andere in Europa auf unsere Situation aufmerksam werden und uns schnell erlauben, unsere Familien da rauszuholen.

 โ€” ยฉ dpa
dpa

Das Geld reichte kaum zum Leben

Im Sudan habe ich als Lehrer gearbeitet. Ich habe dort vor allem die arabische Sprache unterrichtet. Ich bin jetzt 38 Jahre alt. Aber vom Aufwand her ist ein Tag als Lehrer im Sudan so umfangreich wie drei Tage hier in Deutschland. AuรŸerdem ist das Geld dort viel schneller aufgebraucht. Es reicht im Sudan gerade einmal, um sich eine Wohnung zu mieten und ein wenig Essen zu kaufen und Strom oder die Wasserversorgung zu bezahlen. Am Ende des Monats bleibt in der Regel absolut nichts รผbrig, meistens sogar schon nach einem halben Monat. Und du hast trotzdem die Schรผler zu unterrichten und wรผrdest vielleicht gerne ein Haus fรผr die Familie kaufen oder hast Rechnungen zu bezahlen. Auch deshalb habe ich mein Land verlassen.

Keine freie MeinungsรคuรŸerung in der Heimat

AuรŸerdem hat die Regierung ein Problem damit, dass immer mehr Menschen etwas lernen mรถchten. Sie fragen sich wohl, was soll das? Die Bรผrger sollen dort bleiben und ja nicht den Mund aufmachen. Das sorgt fรผr Unruhen. Wenn man sich frei รคuรŸert, stecken sie einen ins Gefรคngnis. Nein, in diesem Staat konnte ich es nicht lรคnger aushalten. Wir hoffen natรผrlich, dass sie irgendwann die Nรถte der Menschen erkennen, aber Gott weiรŸ, wann das sein wird. Fรผr die รœberfahrt von ร„gypten aus braucht man normalerweise fรผnf bis sechs Tage. Aber wir hatten auf hoher See ziemliche Schwierigkeiten. Vielleicht war der Motor unseres Boots kaputt. Bei unserer Flucht sind um die 50 Menschen gestorben. Vier Tage lang gab es kein Wasser und kein Essen. Wir waren รผber 400 Leute, als wir losgefahren sind. In Italien waren es nur noch 350. Alte Menschen, junge, und auch Kinder sind gestorben. Aber so ist wohl das Leben.

 โ€” ยฉ UNICEF/NYHQ2015-0475/Esiebo
UNICEF/NYHQ2015-0475/Esiebo

Solche Menschen wie in Deutschland gibt es sonst nicht

Ich wรผrde mir sehr wรผnschen, hier jetzt bleiben zu dรผrfen und vielleicht eine Arbeit zu finden. Ich liebe die Menschen hier in Deutschland, sie kommen und stรคrken uns nach all dem den Rรผcken. Ich glaube nicht, dass man in seinem Leben sonst viele Menschen wie sie trifft. Es war fรผr sie gar keine Frage, uns mit Kleidung und Nahrung zu versorgen und wollen uns sogar dabei helfen, die Deutsche Sprache zu lernen. Die ganzen Dinge. Solche Menschen findet man nirgendwo anders auf der Welt. Natรผrlich sind wir hier Auslรคnder, aber wir fรผhlen uns nicht ausgegrenzt. Hier in Deutschland kรผmmert man sich um uns.

Anzeige

Das kรถnnte Dich auch interessieren

CooleBikesfรผrcooleKids
Weiterlesen ...
expand_less
Runaway
BON JOVI
Runaway
queue_music
close