Rischmüllers SC-Tagebuch: Vorspiel vor Bochum

Das Vorspiel:
 
Das erste Freiburger Ligaspiel zur Mittagszeit steht an: Samstag, 13 Uhr, SC gegen Bochum. Wenn ich mich morgen also erstmals in meiner Karriere bei einem Heimspiel schon am Vormittag auf den Weg zum Stadion mache, wird mir der Abstieg vermutlich noch einmal schmerzlich bewusst werden. Immerhin rockt das Spiel dafür umso mehr: Erster gegen Zweiter – zwei absolute Traditionsvereine mit durchaus ruhmreich zu nennender Vergangenheit: Der VfL Bochum, für den dereinst das Wort „unabsteigbar“ kreiert wurde (was dann ja doch ein Trugschluss war) und die Profitruppe vom SC Freiburg, der in seiner jüngeren Vereinshistorie immerhin drei Teilnahmen am internationalen Wettbewerb verzeichnen konnte (kein Trugschluss!) und mit seinem Konzept als Ausbildungsverein auch international immer wieder Schlagzeilen macht und Aufmerksamkeit erregt.

Von der Reputation her könnte der Kick ohne Weiteres in der ersten Liga stattfinden – ist aber in diesem Übergangsjahr (smile) nun mal ausnahmsweise nur zweitklassig und deshalb auch bereits um 13 Uhr, bevor der große Zirkus im Bezahlfernsehen, das (leider) über so ziemlich alles, insbesondere über Anstoßzeiten, bestimmt, beginnt.
Was ich sportlich zu dem Kick sagen kann, habe ich bereits gesagt… heute Morgen im Radio, bei baden.fm. Hier das Skript vom Kollegengespräch mit Moderatorin Julica Goldschmidt:

Julica:
Am Samstagmittag um 13 Uhr ist es so weit: Der SC Freiburg spielt gegen den VfL Bochum; der Erste gegen den Zweiten. Guten Morgen Frank Rischmüller!
 
Ich:
Einen  wunderschönen guten Morgen.
 
Julica:
Ist die Saison noch zu jung oder kann man da schon mit Fug und Recht von einem Spitzenspiel sprechen?
 
Ich:
Freiburg und Bochum haben als einzige Zweitligisten beide Auftaktspiele gewonnen und konnten sich, sozusagen im Gleichschritt, auch mit 5:0 im DFB-Pokal durchsetzen. SC gegen VfL, das ist in jedem Fall ein absolutes Spitzenspiel dieser 2. Liga. Ich selbst bin schon jetzt total gespannt auf diesen Vergleich.
 
Julica:
Was muss der SC-Fan über den Gegner VfL Bochum wissen?
 
Ich:
Dass der VfL die ersten drei Pflichtspiele dieser Saison nicht nur gewonnen, sondern sogar alle zu null gewonnen hat. Die sind also noch völlig ohne Gegentor, was für eine sehr starke Abwehr spricht, in der mit Felix Bastians übrigens ein ehemaliger Außenverteidiger des SC als Innenverteidiger glänzt. Ein zweiter Ex-Freiburger im Team der Bochumer ist im offensiven Mittelfeld Marco Terrazzino – auf den ist zu achten, genauso wie auf den Stürmer Simon Terodde,  der gerade so richtig gut funktioniert.
 
Julica: 
Wie sieht es beim Sport-Club aus?
 
Ich:
Ich rechne damit, dass Christian Streich dieselbe Startelf auf das Spielfeld schickt wie beim 6:3 gegen Nürnberg und beim 0:1-Sieg in München. Also: Schwolow kehrt zurück ins Tor, Torrejon in die Viererkette – Abrashi und Grifo sind nach allem, was ich weiß auch wieder fit – personell rechne ich nicht mit Änderungen.
 
 
Julica:
Letzte Frage, Frank, was hat das mit dieser Trainerfehde auf sich?
 
Ich:
Gertjan Verbeek, der holländische Trainer des VfL Bochum, hat – als er noch Coach in Nürnberg war und in Freiburg verloren hat – seinen Frust über die knappe Niederlage äußerst schlecht verarbeitet. Er hat die Pressekonferenz nach dem Spiel geschwänzt und dafür in einem Fernsehinterview unflätig gegen Christian Streich abgeledert und Dinge behauptet, die mit nichts zu belegen waren. Verbeek hat sich da einfach als schlechter Verlierer erwiesen und das Tischtuch zwischen ihm und Christian Streich scheint zerrissen.
 
Julica:
Ist das ein Problem?
 
Ich:
Nee, nicht wirklich. Das Spiel Erster gegen Zweiter steht deutlich im Vordergrund.
 
Was ich diese Woche an der Heimspielsituation schätze ist… die Heimspielsituation. Nach den kilometerfressenden Auswärtsreisen nach München und Norderstedt, nördlich von Hamburg, habe ich nämlich so ein bisschen diese fiese Autobahnallergie. Gut, dass die Tour nach Düsseldorf erst nächste Woche kommt.

Neues vom Kanzler!

„Neues vom Kanzler“ hieß es bundesweit, als der Kanzler noch ein Mann war, seine Haare färbte … (nächt!) und „Hol mir mal `ne Flasche Bier“ sang. Hier in Südbaden und speziell auch bei mir persönlich hat „Neues vom Kanzler“ eine andere Bedeutung. Freiburgs Fußball-Kanzler Ralf Kohl betreibt in den Jahren seiner „Fußballrente“ in Freiburg-St.Georgen ein gut sortiertes, auf Teamsport spezialisiertes Sportgeschäft. Seit Jahren schon haben wir die Verabredung unter langjährigen Weggefährten, dass ich Sportklamotten mit dem Branding „Teamsport Kohl“ darauf bei meinen Einsätzen als freiberuflicher Radioreporter trage. Einmal im Jahr, meist zu Saisonbeginn, bekomme ich nach vorheriger Auswahl einen Karton „Neues vom Kanzler“ und trage die Teile dann in den Stadien spazieren.

Seit Jahren war das Zeug von Nike und immer in XXL. Die älteren Sachen passen noch heute, vier Jahre und plus 30 Kilo nach meiner Teilnahme als 14-km-Läufer an der Marathonstaffel vom Freiburg Marathon… Manche Teile, insbesondere die neueren Datums passen aber nicht mehr. So traf ich kürzlich zwei Entscheidungen: 1. Ich fange wieder an mit Sport und trainiere wieder 15, 20 oder mehr Kilos ab und 2. Ich wechsele jetzt mit schlechtem Gewissen auf XXXL. Pustekuchen! Nike bietet diese Größe für Männer mit lebensbejahender Figur leider nicht an.
Ein Markenwechsel musste her und meine Wahl fiel auf Puma. So gab es kürzlich „Neues vom Kanzler“ aus dem Hause Puma und gegen Bochum habe ich mein erstes Heimspiel mit meinem „new look“. Da mir blau immer und überall am besten steht, sind die meisten Teile in blau – das führte zumindest bei mir selbst aber schon in Norderstedt zu Irritationen, hatten doch die Jungs von Barmbek-Uhlenhorst alles von Puma und alles in blau… Bochum trägt zwar Nike, ich habe mir aber vorgenommen, am Samstag in jedem Fall mit meiner roten Garnitur zu kommen… in XXXL halt. Aber ich  trainiere wieder und die ersten paar Trainingseinheiten liefen auch überraschend gut – 20, 25 Minuten auf dem Laufband waren kein Problem. Geschwitzt habe ich wie ein Ochse, aber es hat gut getan und war ein Anfang. Vielleicht kann ich ja nächstes Jahr wieder auf XXL umsteigen.

So schlank wie 1996 im Zehnder-Wärmekörper-Trikot des SC werde ich aber wohl mein Lebtag nicht mehr. Dieses fast schon historische Foto aus der Anfangszeit meiner Radiokarriere hier in Freiburg prangt über einem Text, den der Kollege Uli Fuchs nach einem Gespräch mit mir für die Serie „Ein Bild und eine Geschichte“ in der aktuellen Ausgabe der Stadionzeitung „Heimspiel“ geschrieben hat. Mit dieser Story geht der SC bzw. „Heimspiel“ noch einmal auf mein 800-Spiele-Jubiläum vom Auswärtskick in München ein. Hier der Text:

"Ausgerechnet dieses Foto habt ihr ausgegraben, nachdem ich beim 1:0-Sieg bei 1860 München mein 800stes Sport-Club-Spielals Radioreporter live übertragen habe? Wo sowieso schon immer welche sagen, ich würde im SC-Trikot hinter dem Mikro sitzen. Dabei lege ich auch in meinem 21. Jahr als SC-Berichterstatter Wert darauf, in der Beurteilung korrekt zu sein – selbst wenn ich in der Emotion parteiisch bin. Aber diese Mischung halte ich für legitim bei einem Reporter im Regionalradio.
Das Foto muss übrigens aus der Saison 1996/1997 stammen. Der SC trug dieses Trikot, als er im vierten Jahr nach dem ersten Aufstieg in die Bundesliga 1993 zum ersten Mal wieder abstieg. Benutzt wurde das Foto für eine Broschüre von Radio Freiburg FR 1, wo ich seit Januar 1994 als Sportchef arbeitete. Von da an habe ich nur drei Pflichtspiele des SC nicht live übertragen: Ein Pokalspiel in Unterhaching, weil der Sender sich mangels Werbepartner gegen die Übertragung entschieden hatte; ein Zweitligaspiel bei RW Ahlen, weil der damalige Programmchef mich mit dem Verbot einer Fußballsendung am Ostersonntag ärgern wollte; und das UEFA-Pokalspiel in Puchov, nachdem am selben Tag beim Terroranschlag vom elften September die Türme des World Trade Centers in New York eingestürzt waren.

Damals war ich schon seit drei Jahren Chefredakteur bei FR 1, das inzwischen als Antenne Südbaden firmierte, und machte den SC – in Anführungszeichen – nur noch nebenbei. Und der SC-Reporter des Senders, der mittlerweile baden.fm heißt, blieb ich auch, nachdem ich 2004 mit meiner Radiotätigkeit in die Selbständigkeit wechselte – und bis heute. Vielleicht auch, weil ich schon 1994 dem Charme des Clubs erlegen war, als 15.000 Freiburger den vermeintlichen Absteiger nach Stuttgart begleiteten, ihn auf Transparenten feierten, statt ihn wie anderswo üblich, auszupfeifen – und dann mit dem 4:0-Sieg beim VfB auch noch die wundersame Rettung eingeleitet wurde.
Geweint oder zumindest fast geweint wegen dem SC habe ich nur ein Mal: beim Abstieg in Hannover am letzten Spieltag der vergangenen Saison. Oder sagen wir: Der Klos im Hals war so groß direkt nach dem 0:2, dass ich kaum noch sprechen konnte; etwas sagte wie: „Das war’s“ – und schluckte und stockte und versuchte, zu beschreiben, was auf dem Platz passierte, um aus meiner Fassungslosigkeit zurück zu finden. Ich weiß bis heute nicht, ob das jemand Christian Streich erzählt hatte, oder warum er mich auf dem Weg zur Pressekonferenz in Hannover spontan umarmte.
Was ich weiß: Meine Zuversicht ist wieder da. Spätestens seit dem Sieg gegen Nürnberg. Nicht wegen des 6:3 – sondern weil man auf dem Platz sah und auf den Rängen spürte, was da wieder wachsen kann.
Aufgezeichnet von Uli Fuchs
 
Frank Rischmüller, 54, ist Redaktionsleiter
der Wochenzeitungen am Oberrhein
Verlags GmbH (ReblandKurier, Wochenblatt).
Seit 1994 und mittlerweile als
freischaffender Radiokünstler überträgt
er (fast) alle SC-Pflichtspiele live"

Ab Samstag, dem Kick gegen Bochum, sind es dann noch 198 Spiele bis zu meiner 1000. Livepartie mit dem SC Freiburg. Bis es so weit ist, habe ich dann vielleicht auch die entsprechenden Kilos wieder abgenommen. "Schaun mer mal…" Genau wie morgen, gegen die Bochumer. Ich drücke unseren Jungs ganz fest  die Daumen!

- Frank Rischmüller