Seit weniger als zwei Wochen hat in ganz Südbaden die Weinlese begonnen. Schon jetzt lässt sich aber sagen, dass der Weinjahrgang 2015 im Südwesten durch die gesamte Sortenpalette verspricht, ein ganz besonderer zu werden. Die Anbaugebiete in der Region sind diesmal mit Ausnahme von wenigen Orten am Kaiserstuhl von Hagel und Starkregen verschont geblieben, die Reben in meist einwandfreiem Zustand. Die vielen Sonnentage im Sommer und das wechselhaft-feuchte Wetter jetzt im Frühherbst haben dafür gesorgt, dass die Trauben diesmal einen hohen Zuckergehalt zum Beispiel in Achkarren am Kaiserstuhl Mostgewichte zwischen 90 und 100 Grad Oechsle aufweisen. Egal ob Müller-Thurgau, Weißburgunder, Grauburgunder oder Spätburgunder - sie alle sollen dieses Jahr eine hervorragende Qualität besitzen, urteilt der baden-württembergische Genossenschaftsverband. Liebhaber dürfen sich vor allem auf geschmackvolle Rot-, süße Dessertweine und Weißweine mit ausgewogenem Säuregehalt freuen.
Doch es gibt auch eine Kehrseite der Medaille: Durch die extreme Hitze ist die Erntemenge extrem geschrumpft. Obwohl die Winzer immer mehr Bewässerungssysteme eingesetzt haben, konnten sie nicht verhindern, dass der Ertrag bei den 76 Winzergenossenschaften in Baden auf 79 Hektoliter pro Hektar Rebfläche geschrumpft ist. Das sind im Schnitt 15 Prozent weniger als noch im Vorjahr. Wegen der hohen Qualität ist das natürlich für alle Beteiligten ärgerlich - Grund zur Panik ist aber nicht geboten: Weil 2014 ein besonders ertragreiches Weinjahr war, liegen die Prognosen für das laufende Jahr damit immer noch im Durchschnitt. Was die Erntemenge angeht, wird 2015 also im längeren Zeitraum gesehen ein völlig normales Jahr.
Doch das Wetter hat noch eine weitere Auswirkung. Während es normalerweise Rebsorten und damit Weine wie Müller-Thurgau und Burgunder gibt, die früher reif werden, fällt diesmal die Weinlese fast aller Sorten auf wenige Wochen zusammen. Schon Anfang Oktober könnte sie diesmal vorbei sein. Die einzelnen Winzerbetriebe stellt das vor teils extreme logistische Herausforderungen. Seit Jahren haben die Winzer immer weniger Helfer für die Lese zur Verfügung. Jetzt müssen alle Handgriffe auch noch möglichst gleichzeitig erfolgen und deshalb stark durchgeplant werden. Trotz der organisatorischen Hilfe durch die Genossenschaften und Weinbauverbände bleibt vielen Betrieben nichts anderes übrig, als zusätzlich noch öfter zur vollautomatischen Erntemaschine zu greifen. Einen Qualitätsverlust brauchen die Kunden am Ende dadurch aber bei ihrem Wein - entgegen anderer Behauptungen - nicht zu befürchten, beruhigt Dr. Roman Glaser, der Genossenschaftsverbands-Präsident.
Er ist außerdem fest davon überzeugt, dass die Winzer die strengen zeitlichen Anforderungen in diesem Jahr bewältigen werden. "Wir sind mit unseren Mitgliedern darauf eingestellt, die großen Mengen Trauben auch in kurzer Zeit zu verarbeiten - notfalls durch weitere Kooperationen, wie sie schon beim Vertrieb der verschiedenen Winzergenossenschaften üblich sind". Die Winzergenossenschaften machen mit rund 70 Prozent der Anbauflächen den größten Akteur beim Weinanbau in Baden-Württemberg aus. Sie verzeichnen seit Jahren einen Trend zum Strukturwandel. Immer weniger Menschen bewirtschaften demnach nebenerwerblich oder in ihrer Freizeit Reben. Dadurch sinkt einerseits die statistische Zahl der Winzer in der Region auf dem Papier. Gleichzeitig steigt aber die Anzahl an haupterwerblichen Betrieben mit großen Anbauflächen. Ein Trend, der nach Ansicht des Verbandes für eine bessere Professionalisierung der Branche sorgt.