Brief an die Fraktionschefs von FDP, SPD, CDU im Landtag
Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) will mit den Fraktionschefs von Grünen, CDU, SPD und FDP über eine mögliche Bildungsallianz für Baden-Württemberg sprechen - also über grundlegende Reformen, die das Land aus der Bildungsmisere holen sollen. Sie wolle die Signale für eine solche Allianz gerne aufgreifen, schreibt Schopper in einem Brief an die Fraktionschefs Andreas Schwarz, Manuel Hagel, Andreas Stoch und Hans-Ulrich Rülke. Der Schrieb liegt unter anderem der deutschen Presseagentur (dpa) vor.
Ein parteiübergreifender Konsens über die zukünftige Entwicklung der Schulen wäre "von weitreichender Bedeutung für unser Land", schreibt Schopper - und ein Erfolg für die gesamte Landespolitik, weil er über das Ende der Legislaturperiode hinaus tragen könne. Ein Konsens könne den Schulen die nötige Ruhe und Klarheit geben, um sich weiterzuentwickeln, schreibt die Kultusministerin.
Druck auf Landesregierung erhöht
Eigentlich hatten sich Grüne und CDU auferlegt, keine Strukturdebatten über das Bildungssystem in der Legislaturperiode führen zu wollen. Vor allem der erfolgreiche G9-Volksantrag und die Empfehlungen eines Bürgerforums zur Rückkehr des neunjährigen Gymnasiums haben aber den Druck auf die Landesregierung gehörig erhöht. Schopper hat bereits angekündigt, ein Konzept für ein modernisiertes G9 zu erarbeiten. Bislang ist in Baden-Württemberg das achtjährige Gymnasium (G8) Standard.
Zuletzt hatte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke eine Allianz von CDU, SPD und Grünen mit den Liberalen vorgeschlagen, um die Bildungsprobleme des Landes zu lösen. Mitte Dezember hatten auch CDU- und SPD-Sprecher bereits bei einer Landtagsdebatte die Bereitschaft zur Kooperation gezeigt. Der CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Manuel Hagel hatte in einem Interview mit den beiden Stuttgarter Zeitungen eine koalitionsüberschreitende Zusammenarbeit bei den Schulthemen gefordert und von einem Grundkonsens gesprochen, "der über Regierungswechsel hinaus trägt und Stabilität und Kontinuität sichert".
Schopper will dem Brief zufolge nun zunächst mit den bildungspolitischen Sprechern der eingeladenen Fraktionen gemeinsame Ansatzpunkte suchen, danach soll es Gespräche mit den Fraktionschefs geben.
Kretschmann offen für parteiübergreifende Zusammenarbeit
Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte sich im Kampf gegen die massiven Bildungsprobleme zuletzt offen für eine Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg gezeigt. Kretschmann hält die Grundschulreform zeitlich und inhaltlich zunächst für drängender als den Umbau der Gymnasien. Als Herausforderungen für ein neues G9-Modell sieht die Landesregierung etwa die Erarbeitung neuer Bildungspläne und zusätzlich benötigte Lehrkräfte. Die Umstellung werde Zeit brauchen, hatte Kretschmann bereits betont.
Der FDP hingegen geht es insbesondere um eine rasche Rückkehr zum flächendeckenden neunjährigen Gymnasium. Aus Sicht von Fraktionschef Rülke wäre das bereits zum Schuljahr 2025/2026 möglich. Dann sei der Einstieg mit der fünften Klasse möglich, betonte Rülke am Donnerstag in Stuttgart. Die FDP sei auch bereit, weiterhin G8-Züge zuzulassen - aber G9 sollte wieder die Regelform im Land werden. Bis 2025 sei es möglich, die Lehrpläne entsprechend zu gestalten. Rülke warf Ministerpräsident Kretschmann vor, bei G9 auf Zeit spielen zu wollen, um bis zum Ende seiner Amtszeit "über die Runden zu kommen". Kretschmann will zur Landtagswahl 2026 nicht mehr antreten.
Streit um Kosten
Eine Rückkehr zu G9 darf aus Sicht von SPD-Fraktionschef Andreas Stoch zudem nicht an den Kosten scheitern. "Kein Mensch braucht davor Angst haben, dass der Landeshaushalt unter der Frage G8 oder G9 in die Knie geht", sagte er am Donnerstag. Auch dürfe die Rückkehr zu G9 nicht gegen eine Stärkung der frühkindlichen Bildung ausgespielt werden. "Dieses Land, eines der reichsten Länder der Welt, muss in der Lage sein, beides zu tun", so Stoch. Der SPD-Fraktionschef warf Kretschmann vor, die Kosten für eine G9-Rückkehr aufzublasen. Zusätzliche Lehrkräfte seien nicht sofort notwendig. Eine Einführung werde immer schrittweise und aufwachsend erfolgen.
Bei parteiübergreifenden Gesprächen für eine Bildungsallianz will Stoch zudem keine strittigen Themen ausklammern. Rülke hatte zuvor betont, nicht über die verbindliche Grundschulempfehlung sprechen zu wollen, da man sich da sowieso nicht einigen könne. "Wenn das eine längerfristige Übereinkunft sein soll, dann kann ich ja nicht gerade die schwierigen Fragen ausklammern", sagte Stoch nun. Stattdessen müsse über diese Fragen ohne ideologische Vorfestlegungen diskutiert werden. "Ich glaube, da müssen sich jetzt alle bewegen."
Empörung bei der AfD-Fraktion
Grundsätzlich seien solche Gespräche sinnvoll, um zu verhindern, dass nach jeder Landtagswahl «eine Rolle rückwärts» gemacht werde, sagte Stoch. Er rechne mit harten Gesprächen, sehe aber auch mögliche Kompromisslinien etwa bei der frühkindlichen Bildung und der besseren Ausstattung der Grundschulen. In einem Brief vom Donnerstag schreibt Stoch an Rülke: "Ich halte es für dringend geboten, jetzt
bis spätestens zu den Sommerferien zu einer grundsätzlichen Einigung über die großen bildungspolitischen Fragen zu kommen, die über die nächste Landtagswahl hinaus für alle beteiligten demokratischen Fraktionen Geltung hat."
Die AfD-Fraktion zeigte sich am Donnerstag empört. "Wer eine 24-Prozent-Partei bei Bildungsfragen ausgrenzt, der ist an wirklichen Verbesserungen nicht interessiert", sagte Fraktionschef Anton Baron. Gerade jene Fraktionen würden sich in der Allianz zusammenfinden, die in der Bildungspolitik rein gar nichts geleistet hätten. Die AfD-Fraktion habe hingegen einen Gesetzentwurf für ein Brückenjahr zwischen Grund- und weiterführender Schule vorgelegt.
(dpa/br)