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Polizisten sagen im Prozess gegen mutmaßlichen Reichsbürger aus

Die Beamten schildern die dramatische Februar-Nacht in Efringen-Kirchen

Im Prozess gegen einen mutmaßlichen "Reichsbürger" aus dem Landkreis Lörrach haben am Mittwoch (23.11.2022) zwei Polizisten ausgesagt. Am Oberlandesgericht Stuttgart schilderten sie die entscheidenden Sekunden einer dramatischen Verkehrskontrolle im Februar 2022 in Efringen-Kirchen. Dabei soll der 62-jährige Angeklagte einen ihrer Kollegen absichtlich angefahren und schwer verletzt haben. Anhand eigener Erinnerungen, mit Fotos, einem Verhörvideo und kleinen Modellautos zeichneten das Gericht und die Zeugen die Momente der Februar-Nacht nach. Nach Einschätzung der beiden Polizisten hätte der wegen versuchten Mordes angeklagte Mann den Aufprall verhindern können. Der angefahrene Polizist war dadurch schwer verletzt worden.

Der Zusammenstoß wäre vermeidbar gewesen

Die Beamten im Zeugenstand waren im Februar 2022 dabei, als der mutmaßliche "Reichsbürger" nach einer Verfolgungsjagd zunächst gestoppt werden konnte. Der 62-Jährige habe aber unvermittelt wieder Gas gegeben und auf den ausgestiegenen Polizisten zugesteuert, sagten die Polizisten aus. Der Mann habe keinen Versuch unternommen, an dem Kollegen vorbeizufahren, sagte ein 34 Jahre alter Beamte. "Es wäre vermeidbar gewesen", sagte er und und sprach von einem "zielgerichteten" Anfahren. "Er hätte einschlagen können, dann wäre es nicht zur Kollision gekommen."

Erste Anklage der Bundesanwaltschaft gegen einen "Reichsbürger"

Das Oberlandesgericht Stuttgart muss vor allem klären, ob der Angeklagte aus Efringen-Kirchen (Landkreis Lörrach) den Polizisten bei seinem Fluchtversuch absichtlich angefahren hat und ob er aufgrund seiner politischen Gesinnung versucht hat, den Beamten zu töten. Die Anklage ist die erste, die die Bundesanwaltschaft gegen einen sogenannten "Reichsbürger" erhoben hat. Zu Prozessbeginn hatte der 62-Jährige keine Angaben zur Sache gemacht. Sogenannte "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" leugnen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihres Rechtssystems, sie sprechen Politikern und Staatsbediensteten die Legitimation ab und verstoßen immer wieder gegen Gesetze. Laut Verfassungsschutz gehören etwa 3.300 Menschen dieser Szene in Baden-Württemberg an.

Bundesanwaltschaft geht von absichtlicher Tat aus

Die Bundesanwaltschaft zeigt sich überzeugt, dass der 62-Jährige den Polizisten absichtlich angefahren und dabei "seine persönliche Freiheit über das Leben des Polizeibeamten" gestellt hat. Er habe die Flucht bei der Kontrolle aus dieser Gesinnung heraus angetreten, hatte ihm die Bundesanwaltschaft zum Prozessauftakt vor Gericht vorgeworfen. Der Mann hat sich bislang zu seinem Lebenslauf, nicht aber zur Sache geäußert.

Der verletzte Polizist kann nicht mehr in seinem Beruf arbeiten

Bei dem aufsehenerregenden Vorfall war der angetrunkene Mann in Efringen-Kirchen zunächst in eine Verkehrskontrolle geraten, hatte kurz gestoppt und dann wieder Gas gegeben. Wiederholt war er angehalten worden, er hatte aber immer wieder mit seinem Auto entkommen können. Auch durch mehr als zwei Dutzend Schüsse auf seinen Wagen und von mehreren Streifenwagen war er nicht aufzuhalten, bis er schließlich laut Bundesanwaltschaft absichtlich auf einen Beamten zugehalten und den Mann angefahren hatte. Der Beamte wurde schwer verletzt, unter anderem am Kopf. Er kann nicht mehr als Polizist arbeiten.

(dpa/rg)