Bundesverfassungsgericht, Karlsruhe, © Uli Deck - dpa

Nach Klage eines Freiburgers: Großfamilien sollen bei Pflegeversicherung entlastet werden

Familienbund der Katholiken und Erzdiözese Freiburg unterstützen

Das Bundesverfassungsgericht fordert, die Kinderzahl bei der Pflegeversicherung zu berücksichtigen. Ein Diakon aus Freiburg hatte eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Unterstützt wurde er von der Erzdiözese.

Das Thema hat Spaltpotenzial, das hat Markus Essig schon erfahren. Der Freiburger Diakon und seine Frau haben sich mit anderen Familien durch die Instanzen geklagt, um Beitragssenkungen für Eltern in den Sozialversicherungen zu erstreiten. Manche Reaktionen seien deutlich unter der Gürtellinie gewesen, berichtet Essig. "Nach dem Motto: Das Kindermachen hat euch Spaß gemacht - und jetzt wollt ihr Geld."

Seit 16 Jahren ist Essig in der Sache unterwegs, wie er sagt. Unterstützt vom Familienbund der Katholiken in der Erzdiözese Freiburg. Sie sind der Meinung, dass die Zahl der Kinder beim Beitrag zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung berücksichtigt werden müsse - Eltern also weniger zahlen sollten als Versicherte ohne Kinder. Nun haben sie mit einer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einen Teilerfolg erzielt.

Beitragssätze sollen angepasst werden

Das Bundesverfassungsgericht sorgt dafür, dass Eltern mit mehreren Kindern bei der gesetzlichen Pflegeversicherung besser gestellt werden als Kinderlose und kleinere Familien. Die Beitragssätze müssten entsprechend der konkreten Zahl der Kinder bis Ende Juli 2023 angepasst werden, entschied das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe nach Angaben vom Mittwoch (1 BvL 3/18 u.a., Beschluss vom 7. April). Dass bei der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung überhaupt nicht zwischen Eltern und Kinderlosen unterschieden wird, sei hingegen okay.

Das Gericht hatte im Fall der Pflegeversicherung 2001 geurteilt, es sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, dass Eltern einen genauso hohen Beitragssatz zahlen wie Kinderlose - denn sie leisteten einen "generativen Beitrag zur Funktionsfähigkeit eines umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems". Die Beitragssätze wurden daraufhin angepasst. Seit Anfang dieses Jahres liegt jener für Eltern bei 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens, der für Kinderlose bei 3,4 Prozent.

Gericht: Der Gesetzgeber muss die Benachteiligung beheben

Aus Sicht der Richterinnen und Richter greift das aber zu kurz: Je mehr Kinder eine Familie habe, desto größer seien der Aufwand und die damit verbundenen Kosten. "Diese Benachteiligung tritt bereits ab einschließlich dem zweiten Kind ein", heißt es in der Mitteilung. "Die gleiche Beitragsbelastung der Eltern unabhängig von der Zahl ihrer Kinder ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt." Der Gesetzgeber müsse diese Benachteiligung beheben.

In der gesetzlichen Rentenversicherung werde der Wert der Kindererziehung insbesondere durch die Anerkennung sogenannter Kindererziehungszeiten honoriert, entschied der Erste Senat unter Vorsitz von Gerichtspräsident Stephan Harbarth. Mit Blick auf die gesetzliche Krankenversicherung betonten die Richterinnen und Richter, dass die Versicherten hier schon in Kindheit und Jugend "in erheblichem Umfang" von den Leistungen profitierten.

Dass in diesen beiden Fällen keine Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Kindern gemacht werden, hatte schon das Bundessozialgericht in mehreren Urteilen für rechtens erklärt.

Für Kläger Markus Essig aus Freiburg hat die Entscheidung keine unmittelbaren Folgen. Das jüngste seiner drei Kinder ist mittlerweile 27 Jahre alt.

(dpa/br)