Mit einer psychosozialen Notfallversorgung sollen auch die Katastrophenhelfer das Erlebte leichter verarbeiten
Eine Woche nach der verheerenden Flut-Katastrophe im Westen Deutschlands zeigt sich in den betroffenen Landkreisen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz erst nach und nach das genaue Ausmaß der Zerstörungen.
Auch aus Südbaden waren etliche freiwillige Helfer im Dauereinsatz, um Menschen aus den Wassermassen zu retten, Häuser, Brücken und Straßen vor einem Einsturz zu bewahren oder Schlamm und Trümmer zu beseitigen.
Selbst für viele trainierte Einsatzkräfte, die auch anspruchsvollere Notfälle gewohnt sind, sind das Erlebnisse, die ihnen einiges abverlangen. Um zu verhindern, dass sie die Eindrücke vor Ort auch später noch belasten, ist es wichtig, sie damit nicht allein zu lassen.
Für die vielen Krisenhelfer vom Malteser Hilfsdienst in Baden-Württemberg, die jetzt nach und nach von ihren Einsätzen im Flutgebiet wieder in den Südwesten nach Hause zurückkehren, und für ihre Kollegen aus anderen Bundesländern steht deshalb eine psychosoziale Notfallversorgung bereit.
Ärztin Sarah Lagger bietet in dieser Woche für sie jeden Abend bundesweit zwei Online-Einsatzabschlussgespräche an. Diese dauern rund 30 Minuten und sollen die Helfer dabei unterstützen, gut in den Alltag zurückzufinden und mit dem Stress der vergangenen Tage gut umzugehen.
Die Eindrücke der riesigen Zerstörung und der vielen Menschen in Not sind nicht normal und können bei den Einsatzkräften für große Stresssituationen sorgen, betont Lagger im baden.fm-Interview.
Es können nicht nur schockierende Anblicke, sondern manchmal auch bestimmte, ungewohnte Gerüche, Geräusche oder andere Wahrnehmungen sein, die für die Betroffenen nicht in Einklang mit ihrem täglichen Weltbild stehen.
Stress und entsprechendes Verhalten ist nach solchen Erfahrungen absolut normal
Jeder Mensch hat dabei ein eigenes Päckchen zu tragen und geht in der anschließenden Bewertung anders mit solchen Erlebnissen um, so Lagger. Deshalb empfindet jeder eine andere Form und Intensität von Stress.
Wichtig ist, dass die Einsatzkräfte im Gespräch erfahren, dass es völlig normal ist, dass man nach so einem Katastropheneinsatz gestresst ist und dass es bestimmte psychische und körperliche Reaktionen darauf gibt.
Viele verhalten sich danach anders, als sie es normalerweise tun würden - doch auch das sei normal und gehe vielen in der Situation ganz genau so, teilweise auch erst mit ein wenig zeitlichem und räumlichem Abstand.
Für den Ernstfall stehen Psychotherapeuten bereit
Mit den Gesprächsmöglichkeiten wollen die Malteser für ihre Helfer ein breites und gleichzeitig niederschwelliges Angebot aufstellen, bei dem sich die Einsatzkräfte informieren und austauschen können. Im zentrum stehen dabei die Fragen "Was habe ich erlebt?", "Was passiert gerade mit mir?" und "Wie kann ich bei Bedarf an weitere Hilfe gelangen?".
Dafür steht zusätzlich zur Stress-Bewältigung eine rund um die Uhr besetzte Malteser-Hotline zur Verfügung, wo die Retter ihre psychische Belastung ausführlicher schildern können und mögliche Lösungswege an die Hand bekommen. Im Ernstfall sind dann auch Vermittlungen an Psychotherapeuten möglich.
Von den bisherigen Teilnehmern sind dabei schon viele positive Rückmeldungen gekommen. Weil aber noch immer sehr viele Einsatzkräfte aktuell in der Krisenregion beschäftigt sind, rechnet Lagger damit, dass der größte Bedarf erst in den nächsten Tagen aufkommen wird.
(fw)