Kirchzarten: Faszination Drehleier – ein fast vergessenes Instrument?

Wohl kaum ein anderes Musikinstrument hat in seiner rund 1000-jährigen Geschichte ein solches Auf und Ab innerhalb der europäischen Kulturkreise erlebt. Kulturwissenschaftler vermuten seinen geistigen Ursprung im Orient. Mit seinen völlig verschieden klingenden Saitenarten, der einzigartigen Rhythmusfunktion, aber vor allem der Möglichkeit einen gleichmäßigen Dauerton zu erzeugen, war es in unseren Breitengrade vor allem für die hochmittelalterlichen Kirchen und Klöster ab dem 12. Jahrhundert von Bedeutung. In den darauffolgenden Jahrhunderten meist als bäuerliches oder sogar Bettler-Instrument verwendet, erlebte es spätestens im 18. Jahrhundert von Frankreich ausgehend eine neue Renaissance in der adligen Kammermusik, die mit der französischen Revolution jedoch schnell ein vorzeitiges Ende fand.

 

Heute kennen wir die Drehleier, wenn überhaupt, dann meist nur noch als archaisch anmutendes Instrument aus Fantasy-Filmen, von mittelalterlichen Folklore-Bands oder französischen und osteuropäischen Klassikkonzerten. Dabei begegnen wir den vielseitigen Klängen des „Organistrum“, wie die Drehleier zu ihrer Entstehung genannt wurde, jedoch wieder weitaus häufiger, als uns im Regelfall bewusst ist. Durch das tiefe Brummen ihrer Bordunsaiten häufig mit dem Dudelsack verwechselt, taucht die Drehleier mittlerweile oft in der Filmmusik großer und kleiner Kinoproduktionen oder auch in TV-Dokus als fester Bestandteil auf. Doch nicht zuletzt ist es der „Folk“-Subkultur zu verdanken, dass die Drehleier noch heute ein breites Publikum zu faszinieren weiß. Hinzu kommt im südbadischen Dreiländereck die Nähe zu Frankreich, wo das Instrument auch in der Gegenwart einen weitaus höheren Stellenwert besitzt. Ähnlich ist die Situation in Großbritannien, wo die Drehleier als „Hurdy-Gurdy“ bekannt ist.

 

Der Südbadner Sebastian Hilsmann hat jedoch nicht nur seine Leidenschaft für das Spielen des komplexen Instruments für sich entdeckt. Der 35-Jährige gehört zu den wenigen Menschen in Deutschland, die das alte Handwerk des Drehleierbaus überhaupt noch beherrschen. Seit mehr als zehn Jahren fertigt er in seiner Werkstatt in Kirchzarten mit seinen Lehrlingen hauptberuflich ein bis zwei Unikate pro Monat in präziser Handarbeit. Als bundesweit wohl einzigartiger Ausbildungsbetrieb möchte er dieses Wissen und Können auch für die Zukunft erhalten und damit bestenfalls auch der Drehleier zu einem neuen Platz in der Musikwelt verhelfen.

 

Fabian Weller und Karsten Monser haben sich für TV Südbaden mit dem ambitionierten Instrumentenbauer getroffen. Wie die Drehleier überhaupt funktioniert und was sie vom Klang und ihrer Spielweise so besonders macht, das zeigt und erklärt er kommende Woche im Fernsehbeitrag bei Südbaden Aktuell und auf dieser Seite auch online!