Der Bedarf kann nicht gedeckt werden, auch weil die Fachkräfte fehlen
Baden-Württemberg kann den Bedarf an Kitaplätzen trotz eines massiven Ausbaus in den vergangenen Jahren bei weitem nicht erfüllen und unterläuft damit in vielen Teilen des Landes den Rechtsanspruch der Eltern auf eine Betreuung. Nach einer neuen Studie der Bertelsmann Stiftung fehlen im kommenden Jahr 57.600 Kitaplätze. Um diese Plätze zu schaffen, müssten die Kommunen als Kita-Träger zusätzlich 16.800 Fachkräfte einstellen. Die Stiftung schätzt die Kosten dafür auf über 700 Millionen Euro jährlich - weitere Betriebs- und Baukosten noch nicht eingerechnet.
Die Zahlen belegen laut den Experten der Bertelsmann Stiftung, dass Baden-Württemberg den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz auch bis 2023 nicht für jedes Kind, dessen Eltern einen Bedarf haben, einlösen könne. "Das ist in doppelter Hinsicht untragbar: Die Eltern werden bei der Betreuung ihrer Kinder nicht unterstützt, während Kindern ihr Recht auf professionelle Begleitung in ihrer frühen Bildung vorenthalten wird", sagt Kathrin Bock-Famulla, Expertin für frühkindliche Bildung bei der Stiftung.
Seit 2013 besteht Rechtsanspruch auf Betreuungsplatz
Die Kommunen im Südwesten hatten zuletzt im Sommer Alarm geschlagen, weil der Rechtsanspruch wegen des dramatischen Fachkräftemangels faktisch nicht mehr erfüllt werden könne. Sie forderten das Land auf, die Sonderregeln für den Personalschlüssel und die Gruppengröße aus der Corona-Zeit zu verlängern. Zur Erinnerung: Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr besteht seit 2013 und für Kinder ab drei Jahren seit 1996. Wenn dieser nicht eingelöst wird, können Eltern dagegen klagen.
Im Bundesvergleich steht das Land bei den Personalschlüsseln noch relativ gut da, heißt es in der Bertelsmann-Studie. Der Ausbaubedarf unterscheide sich im Südwesten je nach Altersgruppe. So liege die Quote der betreuten Kinder unter drei Jahren mit 29 Prozent deutlich unter dem Bedarf von 41 Prozent, heißt es in der Studie. Um die Lücke zu schließen, seien weitere 39.500 Kita-Plätze nötig. Für Kinder ab drei Jahren sei die Lücke kleiner, sie liege bei drei Prozentpunkten. Hier wären zusätzliche 18.100 Kita-Plätze notwendig.
Die Experten der Stiftung sehen die Probleme bei der Gewinnung von Fachpersonal und analysieren: "Eine fatale Wechselwirkung erschwert die Aufgabe: Zu wenig Personal verschlechtert nicht nur die Qualität der frühkindlichen Bildung für die Kinder, sondern auch die Arbeitsbedingungen für die pädagogischen Fachkräfte." Dadurch werde es schwieriger, Personal zu halten. Damit dieser "Teufelskreis" durchbrochen werden könne, brauche es eine "erkennbare politische Priorität für eine bessere Personalausstattung".
(dpa/br)