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Freiburg muss deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen als bislang gedacht

Es wird eine der größten humanitären Herausforderungen in der Geschichte der Stadt Freiburg - kündigt Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) angesichts der neuen Entwicklungen bei der Unterbringung von Flüchtlingen an. Die Stadtverwaltung bekommt vom Land künftig doch wieder deutlich mehr Neuankömmlinge zugewiesen, als bislang erwartet. Vor gut zwei Wochen habe Salomon bereits erfahren, dass das Land das frühere Versprechen nicht einhalten kann, dass Freiburg im Gegenzug für seine geplante Landeserstaufnahmestelle (LEA) keine weiteren Flüchtlinge zugewiesen bekommt. Anstatt dieses so genannten "Freistellungsprivilegs" will man nun aber bei den künftigen Zuweisungen berücksichtigen, dass in Freiburg bereits eine Bedarfsorientierte Erstaufnahme (BEA) steht.

 

Dort waren am Montag 520 Flüchtlinge vorübergehend untergebracht, Platz wäre auf dem Gelände der Hochschule der Polizei aktuell maximal für 900 - und das auch nur mit einer zusätzlichen Traglufthalle. Sobald dort mehr als 1000 Menschen leben, kann die Stadt sich diese voll anrechnen lassen - allerdings nur einmalig. Für Landkreise mit ähnlichen Erstaufnahmestellen hat man eine ähnliche Regelung gefunden: Sie können bis zu 50 Prozent der Menschen in den BEAs auf die weiteren Zuweisungszahlen anrechnen lassen.

Gleichzeitig übertrifft auf bundesweit die Zahl der neu ankommenden Flüchtlingen alle Erwartungen: Allein für das Jahr 2015 wird inzwischen mit bis zu einer Million Menschen in ganz Deutschland gerechnet. Rund 130.000 von ihnen kommen nach Baden-Württemberg - jetzt Anfang September sind aber gerade einmal 38.000 Flüchtlinge auf die verschiedenen Unterkünfte verteilt. Für Freiburg heißt das, dass sich die Stadt auf rund 350 neue Flüchtlinge im Monat einstellen muss.

Zwei Entwicklungen, die alle bisherigen Planungen in der Stadt entweder komplett über den Haufen werfen oder zumindest dringenden weiteren Handlungsbedarf erfordern. "Die Zahlen, die gestern noch aktuell waren, sind heute schon meist wieder völlig veraltet", fasst Freiburgs Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach (SPD) die Situation treffend zusammen. Eine städtische Projektgruppe sucht deshalb weiter fieberhaft nach zusätzlichen Wohnflächen für die Asylbewerber - dabei geht es nicht nur um die Erstaufnahme, sondern um die danach folgende vorläufige Unterbringung, während die Bewohner beispielsweise auf einen Asylbescheid warten.

Insgesamt 2500 zusätzliche Plätze kann das Rathaus in den nächsten Wochen und Monaten anbieten - darunter voraussichtlich auch vier größere Containerstandorte für jeweils 350 Menschen, die komplett auf die Himmelsrichtungen des Freiburger Einzugsgebiets verteilt werden. Da hier allerdings noch Gespräche über die genaue Nutzung der Flächen laufen, steht noch nicht genau fest, wo diese größeren Standorte hinkommen. Abgesehen davon soll es 150 Plätze in der Waltershofener Straße geben, 40 im Hotel Tanne im Stadtteil Opfingen, 20 im Hartkirchweg in St. Georgen, im Erdgeschoss eines Gebäudes in der Lörracher Straße rund 100. Im Hotel Sonne in der Basler Straße sind 50 weitere Plätze geplant, im bisherigen Standort des Amts für Wohnraumversorgung kommen außerdem bis zu 180 weitere hinzu. Außerdem wurden die Regelungen so gelockert, dass jetzt auch in den Industrie- und Gewerbegebieten weitere Flächen zur Verfügung stehen können. Als zusätzliche Notunterkunft könnte spätestens ab Dezember dann die alte Stadthalle herhalten, aus der gerade noch die restlichen Bestände der provisorischen Universitätsbibliothek ausziehen. Dort könnten je nach genauer Unterbringung für kurze Zeit 200 bis 400 Flüchtlinge ein vorübergehendes Dach über dem Kopf finden.

Die Stadt versucht damit trotz aller Anstrengungen ihrer Linie treu zu bleiben und die Flüchtlingsunterkünfte möglichst auf viele verschiedene Stadtteile aufzuteilen. Dies ist nicht selbstverständlich: In Baden-Baden wurde in der vergangenen Woche der Bau eines einzigen großen Flüchtlingsdorfes beschlossen, das über 1000 Bewohner fassen soll. "Unser Ziel ist es weiterhin, den Menschen auch menschenwürdige Bedingungen zum Leben zu bieten. Dazu gehört in unseren Augen auch, dass die Flüchtlinge nicht ohne jegliche Privatsphäre in Turnhallen untergebracht werden", sagt der Oberbürgermeister. Diese Option hänge aber von der weiteren Entwicklung ab - sollte es keine andere Möglichkeit mehr geben, seien die Turnhallen allemal besser, als die Menschen nach ihrer monatelangen Flucht im Winter im Freien schlafen lassen zu müssen.

Die Menschen, die vorläufig untergebracht werden, gelten rein rechtlich als Einwohner Freiburgs. Für einen Zeitaum von 18 Monaten übernimmt das Land Baden-Württemberg dafür noch die anfallenden Kosten. Danach steht den Flüchtlingen aber das Gleiche zu, wie jedem anderen Bürger Freiburgs auch - beispielsweise ein Kita-Betreuungsplatz oder eine dringliche Wohnungssuche über die Notfallkartei des Amts für Wohnraumversorgung. Und auch die Kinder der Flüchtlingsfamilien sind außerhalb der Erstaufnahmestellen schulpflichtig. Deshalb stellen sich auch Sozial- und Schulämter darauf ein, in Zukunft in größeren Dimensionen zu denken. Probleme mit der Unterrichtsversorgung oder übervolle Klassenzimmer erwartet Bürgermeister Kirchbach allerdings nicht.

Oberbürgermsiter Dieter Salomon würde sich allerdings mehr Unterstützung vom Bund wünschen, um den Menschen in Freiburg aber auch längerfristig Perspektiven zu bieten. "Wir brauchen bessere rechtliche Rahmenbedingungen vom Bund für den Sozialen Wohnungsbau, um ihn auch wieder für die Wirtschaft attraktiv zu machen. Nur so können wir die vielen Menschen auch auf lange Sicht menschenwürdig versorgen".