365 Tage im Jahr den öffentlichen Nahverkehr nutzen und dafür nur einen Euro am Tag zahlen
Wer täglich mit Bus oder Bahn in Südbaden unterwegs ist, muss am Automaten vielleicht schon bald deutlich weniger tief in die Tasche greifen. Als eine der ersten 15 Städte und Regionen bundesweit interessiert sich die Stadtverwaltung in Freiburg für das geplante, so genannte 365-Euro-Ticket. Das bestätigt eine Rathaussprecherin am Dienstag (07.01.2019) auf baden.fm-Anfrage.
Dabei handelt es sich um vergünstigte Fahrscheine für den öffentlichen Nahverkehr, für die Fahrgäste runtergerechnet nur einen Euro pro Tag bezahlen müssten. Vorbild ist die österreichische Bundeshauptstadt Wien, die bereits ein ähnliches Ticketsystem eingeführt hat:
In Wien kostet die Jahreskarte bereits seit Mai 2012 einen Euro pro Tag. Finanziert wird das dort über eine eigene Abgabe. Rund 51 Millionen Euro muss die Stadt seit der Einführung des 365-Euro-Tickets jedes Jahr zusätzlich zuschießen, heißt es in Medienberichten. Das große Umsteigen von Autos auf Busse und Bahnen ist allerdings ausgeblieben. Zwar hat sich die Zahl der Jahreskartenbesitzer in Wien mehr als verdoppelt. Allerdings liegt der Anteil aller ÖPNV-Nutzer in der Stadt im so genannten Modal Split bei rund 38 Prozent – das ist nur ein Prozent mehr als vor der Einführung der vergünstigten Tickets.
Auch Luxemburg und Augsburg wollen beim ÖPNV neue Wege gehen
Ein etwas anderer Ansatz: In Augsburg gibt es seit dem Jahreswechsel 2019/2020 eine so genannte Cityzone, in der Fahrgäste komplett kostenlos mit Bussen und Bahnen fahren dürfen. 870.000 Euro lässt sich die Stadt das Angebot jedes Jahr kosten. Das Netz umfasst neun Haltestellen. Die sind aber im Realfall oft höchstens einen Kilometer voneinander entfernt, sodass in der Praxis viele Fahrgäste trotzdem lieber laufen. Immerhin: Der Bahnhof ist mit drin, deshalb profitieren viele Bahnpendler. Wer aus der Cityzone rausfahren möchte, braucht dann aber doch einen bezahlten Fahrschein.
Das Großherzogtum Luxemburg will ab März den kompletten Nahverkehr kostenlos machen. Einen Test hat es dazu bereits letzten September gegeben. Der stieß grundsätzlich auf großes Interese und hat noch weitere Maßnahmen hervorgebracht: Um die Leute zum Umsteigen zu Bewegen, sollen in Luxemburg bald auch sämtliche Linien und Anschlüsse verbessert werden oder mehr Park&Ride-Plätze entstehen. Das meiste zahlt am Ende der Luxemburger Steuerzahler, die zusätzlichen Kosten liegen bei rund 41 Millionen Euro.
Freiburg zeigt Interesse an Bewerbung - Entscheidung soll bald fallen
Das Bundesverkehrsministerium will die 365-Euro-Tickets in maximal zehn Modellregionen in Deutschland testweise einführen, um für den Klimaschutz einen zusätzlichen Anreiz für den ÖPNV zu schaffen. Finanzieren sollen das Ganze die zusätzlichen Fördermittel aus dem beschlossenen Klimapaket der Bundesregierung.
Die offizielle Bewerbungsphase für das Modellprojekt, das auch noch zahlreiche weitere Maßnahmen enthalten soll, startet voraussichtlich noch in der ersten Jahreshälfte 2020. Momentan wartet Freiburg noch auf genauere Details aus Berlin zu den genauen Bedingungen der Förderung. Erst wenn diese feststehen, will sich die Stadtverwaltung dann auch bewerben.
Bereits im September 2018 hatten sich in Südbaden unter anderem Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos) und sein Amtskollege Roman Götzmann (SPD) zu Wort gemeldet und eine Debatte über eine Vergünstigung des öffentlichen Nahverkehrs angestoßen.
Bisher schon 15 Bewerber für das Modellprojekt - höchstens 10 erhalten den Zuschlag
Neben Freiburg haben inzwischen auch vierzehn andere Kandidaten ein erstes Interesse an dem neuen Modellprojekt geäußert, darunter das komplette Land Hessen oder auch die Großstädte Stuttgart, Nürnberg, Leipzig und Dresden. Falls Freiburg am Ende tatsächlich den Zuschlag für die 365-Euro-Jahreskarten erhalten sollte, bleiben noch einige Fragen offen:
So gelten die allermeisten Fahrscheine in Freiburg bisher nicht nur für die Fahrzeuge der VAG alleine, sondern sind immer auch Teil des gesamten Regio-Verkehrsverbunds Freiburg. Damit stehen die Chancen gut, dass nicht nur die Freiburger selbst, sondern auch viele Umlandgemeinden und andere Städte innerhalb des RVF-Gebiets in Südbaden von dem vergünstigten Fahrpreis profitieren könnten. Endgültig geklärt ist das allerdings noch nicht.
Weitere Infos zu dem gesamten Vorhaben sollen nach baden.fm-Informationen bereits in den nächsten Wochen folgen.
(fw)