Über 330 Mal soll sich der Mann an den vier Jungen vergangen haben
Das Verbrechen hatte viele Menschen nicht nur in Staufen, sondern in ganz Südbaden verunsichert. Vor der Großen Jugendkammer des Freiburger Landgerichts ist am Montag (16.01.2020) der Prozess um den mutmaßlichen Missbrauch von Kindern durch einen früheren Pfadfinder-Gruppenbetreuer gestartet.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 42-jährigen Angeklagten zusammengerechnet 330 sexuelle Übergriffe auf Jungen vor, die er teilweise über seine Arbeit bei der Pfadfindergruppe "Lazarus von Schwendi" in Staufen kennengelernt haben soll. Dort war der Mann zwischen 1999 und 2011 als Gruppenleiter tätig - unterbrochen von einer dreijährigen Pause.
Laut seiner eigenen Aussage am Montag hatte ihn die Kirche dort als Betreuer für Grundschulkinder eingesetzt. Vor dem Gericht hat er zum Prozessauftakt nach der Verlesung der Anklage auch öffentlich zu seiner Person ausgesagt. Angaben zu den konkreten Missbrauchsvorwürfen will er hingegen nur unter Aussschluss der Öffentlichkeit machen, so sein Verteidiger Stephan Althaus. Bei der Polizei soll er im Vorfeld bereits ein umfassendes Geständnis abgelegt haben.
Angeklagter will zu den Vorwürfen nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit aussagen
Zu dem Missbrauch soll es laut Anklage zwischen 2010 und 2018 gekommen sein. Insgesamt gehen die Ermittler von vier geschädigen Kindern aus. Zwei von ihnen stammen aus der Gruppe, zwei weitere soll der Mann in seinem privaten Umfeld, sowie auf einem Campingplatz südlich von Freiburg kennengelernt haben.
Nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei soll er die Schüler vor allem in seiner Wohnung im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald missbraucht haben. Die Opfer waren dabei zwischen 7 und 14 Jahre alt.
Staatsanwältin Nikola Novak wirft dem Mann vor, seine Rolle als Gruppenleiter ausgenutzt zu haben. Sie sprach zum Prozessauftakt von wöchentlichen Übergriffen. Um nicht entdeckt zu werden, soll der Angeklagte den Jungen außerdem massiv gedroht und sie unter Druck gesetzt haben. Erst acht Jahre nach dem ersten Übergriff hat sich ein Junge seinen Eltern anvertraut. Die vier Kinder seien schwer traumatisiert und litten bis heute.
Keine Ermittungen gegen evangelische Kirche
Wegen Kindesmissbrauchs stand der Mann schon einmal vor Gericht. Laut Staatsanwaltschaft wurde gegen ihn im Zeitraum zwischen 2004 und 2007 ermittelt. Damals stand aber Aussage gegen Aussage, sodass der Prozess damals mit einem Freispruch endete. Die Kirche hatte sich danach entschlossen, ihn weiter bei den Pfadfindern zu beschäftigen. Auflagen oder konkrete Gespräche über die Vorwürfe habe es zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben, beteuert der Mann.
Gegen die Kirche selbst gibt es keine Ermittlungen, da die Staatsanwaltschaft dort keine Hinweise auf Fehler finden konnte. Die evangelische Kirche hatte nach dem Bekanntwerden des Falls angekündigt, das Geschehen möglichst schnell aufklären und daraus Lehren ziehen zu wollen. Konkrete Ergebnisse dazu sind bisher keine bekannt.
Das Gericht hat sieben Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil könnte nach bisherigem Planungsstand bereits am 18. Februar 2020 ergehen. Dabei will das Gericht neben einer Haftstrafe auch eine anschließende Sicherungsverwahrung prüfen, sagte Staatsanwältin Novak am Rande des Prozessauftakts. Eine Gefahr für die Allgemeinheit müsse ausgeschlossen werden.
Ermittlungen gegen zweiten Tatverdächtigen aus der Gruppe noch nicht abgeschlossen
Im Laufe der Ermittlungen waren Kripo und Staatsanwaltschaft in dem Fall auf einen zweiten Verdächtigen gestoßen. Sie werfen einem 28-jährigen Kollegen des Angeklagten ebenfalls sexuelle Übergriffe auf zwei weitere Kinder in den Jahren 2012 und 2013 vor. Bislang gab es keine Hinweise darauf, dass die beiden Männer die mutmaßlichen Straftaten abgesprochen oder gemeinsam geplant haben könnten. Die Ermittlungen zu diesem zweiten Fall laufen noch.
Keine Verbindung zum anderen Staufener Missbrauchsfall
Ausdrücklich hatten die Ermittler außerdem betont, dass zwischen den möglichen Vorfällen in der Pfadfindergruppe und dem jahrelangen Missbrauch eines Jungen aus Staufen durch Täter aus dem Darknet keinerlei Zusammenhang besteht.
(fw) / dpa