Die meisten Veranstalter brauchen für geplante Festivals, Konzerte und Auftritte in Südbaden gerade enormes Fingerspitzengefühl
Mit dem sonnigen Wetter stand in Südbaden in den letzten Tagen der Sommer gefühlt schon vor der Tür und normalerweise würde es in der aktiveren Jahreszeit viele Menschen wieder öfter raus zu den Open-Air-Konzerten oder Liveauftritten in den großen Eventlocations im Freien und Drinnen ziehen. Tatsächlich steht die Kultur- und Veranstaltungsbranche nach der harten Zwangspause während der Coronakrise nun langsam wieder in Startposition. Was uns als Besucher in diesem Sommer bei den großen und kleinen Liveshows in Südbaden erwarten wird und mit welchen Hindernissen die Organisatoren zu kämpfen haben, möchten wir hier zum Thema machen.
Eine gute, aktuelle Nachricht zum Einstieg: Die angeschlagene Kulturszene in Freiburg darf sich über eine dicke Finanzspritze vom Bund freuen. Eine halbe Million Euro steckt die Kulturstiftung in das geplante städtische "Kultur_Los! Festival Freiburg" vom 5. bis zum 16. August. Dort wird es dann viele kleinere Konzerte, Theateraufführungen oder Lesungen an verschiedenen öffentlichen Plätzen im gesamten Stadtgebiet geben. Das Ganze soll dabei natürlich coronakonform ablaufen, mit genauen Hygieneregeln und Besucherkonzepten.
Das Festival soll nach monatelanger Durststrecke vor allem eine Plattform für die unterschiedlichsten Arten von Kulturschaffenden innerhalb Freiburgs und seiner Umgebung sein, von regionalen Ensembles bis hin zu Solo-Selbstständigen aus der Branche.
Zusätzlich zu den Fördermitteln des Bundes steuert auch das Rathaus weitere 132.000 Euro aus dem städtischen Haushalt bei, um damit die Lebensqualität der Menschen innerhalb der Stadt nach dem Lockdown zu fördern und das öffentliche Leben anzukurbeln.
Absagen und Verschiebungen auf das nächste Jahr sind auch diesen Sommer noch die Regel
Des einen Freud' ist des anderen Leid, sagt das Sprichtwort: Leer ausgehen lassen hat die Kulturstiftung des Bundes hingegen das geplante KulturWiese-Projekt im Landkreis Lörrach, zu dem sich zwölf Städte und Gemeinden entlang des Flusses Wiese zusammengeschlossen hatten. Statt der über zwanzig geplanten Events soll es voraussichtlich nur noch eine abgespeckte Version mit deutlich weniger finanziellem Aufwand geben, weil die erhofften 265.000 Euro nicht bewilligt wurden. Die Beratungen dazu laufen noch.
Größtenteils verlegt auf 2022 oder teils sogar ersatzlos gestrichen sind die Auftritte beim Freiburger Zelt-Musik-Festival in diesem Sommer.
Nur in einer "Light"-Variante wird das Lörracher Stimmen-Festival 2021 durchgeführt. Besucher dürfen sich dort wieder auf die ersten Liveauftritte von speziellen Künstlern im Burghof freuen, die großen Marktplatzkonzerte mit den Publikumsmagneten wie Deep Purple, Passenger oder Silbermond mussten aber allesamt noch einmal auf die Ausgabe im nächsten Jahr verschoben werden.
Festival-Organisatoren haben es bei der Auswahl ausreichend großer Flächen schwer
Den gleichen Schritt musste am Dienstag (01.06.2021) schweren Herzens auch Veranstalter Christoph Römmler von KAROevents mit seinen bekannten Festivals Sommersound in Schopfheim, den COVERnights in Müllheim und dem I EM Music Festival auf dem Emmendinger Schlossplatz gehen. Und das zum zweiten Mal in Folge. Die letzte vergleichbare Veranstaltung stammt bei seinem Team aus dem März 2020, danach war damit Schluss.
Ganz abgesehen von der wirtschaftlichen Unsicherheit machen aus Römmlers Sicht die bisherigen Abstandsregeln solche Großevents trotz aller Hygienekonzepte in der Durchführung unmöglich. Selbst wenn die Corona-Verordnung des Landes wegen der sinkenen Inzidenzwerte schon bald bis zu 500 Open-Air-Besucher zulassen könnte, müssen die erst Mal im Freien mit anderhalb Metern Abstand auf einem ausreichend großen Platz untergebracht werden, sodass sie trotzdem noch die Bühne sehen. Allein durch die zur Verfügung stehenden Flächen ist die Auswahl für die Veranstalter dabei extrem begrenzt. Hinzu kommt der wirtschaftliche Druck:
Obwohl gerade im deutschsprachigen Raum gerade einige Künstler mit ihren üblichen Gagen angesichts der aktuellen Lage teils deutlich runtergehen, muss sich ein Auftritt der Fantastischen Vier wie in Emmendingen oder Adel Tawil wie in Schopfheim am Ende trotzdem so finanziell rechnen, dass zumindest die Kosten gedeckt werden.
Kleinere "Popup"-Konzerte könnten eher eine Übergangsphase werden
Was jetzt, wo die Veranstaltungsbranche wieder in den Startlöchern steht, an Auftritten im Sommer und Herbst 2021 stattfinden kann, ist größtenteils nicht wirtschaftlich, urteilt Römmler, der mit dem Kultursommer in Emmendingen ebenfalls mit einer kleineren Eventreihe und hochkarätigen Namen am Start ist.
Hier gehe es viel eher darum, nach dem monatelangen Dornröschenschlaf überhaupt wieder ein Lebenszeichen aus der Unterhaltungsbranche zu schicken und damit bei den Besuchern und auch intern eine Signalwirkung zu erzeugen.
Wie viele seiner Kollegen rechnet Römmler für die nächsten Monate lediglich mit Übergangsformaten, die sehr gefragt sein werden, aber weit entfernt von dem, was früher an Veranstaltungen möglich war. Besonders beispielhaft dafür sind die so genannten Picknick-Konzerte, die in vielen Großstädten gerade erprobt werden.
Hier bekommen die Besucher eine im Schnitt mindestens drei Quadratmeter große Fläche Rasen vor einer Bühne zugeteilt, auf dem sie ihre mitgebrachte Picknickdecke ausbreiten können und dann innerhalb ihrer Markierung der Musik lauschen dürfen.
Momentan sei es wegen der hohen Nachfrage vieler Menschen nach einem Stück Normalität notwendig, dass anstatt weniger Großevents lieber viele kleine und entzerrte Veranstaltungen auf den Markt kommen. Sobald aber die Pandemie noch ein Stück weiter überwunden ist und die Gesetzgebung auch neue Konzepte zum Durchführen klassischer Auftritte erlaubt, geht der KAROevents-Chef fest davon aus, dass diese auch schon im Spätherbst oder Winter 2021 zurückkehren könnten und das sogar drinnen in den Konzerthallen.
Im Übrigen beschränken sich die Auftritte 2021, die tatsächlich stattfinden, meist auf Künstler aus dem deutschsprachigen Raum. Denn die meisten internationalen Stars wagen trotz vieler neuer Alben während der Corona-Pause noch keine länderübergreifenden Tourneen. Oft machen die Ein- und Ausreisebestimmungen dabei einen Strich durch die Rechnung oder die grundsätzliche Unsicherheit ist aus Sicht ihrer Manager einfach zu groß. Gleichzeitig führt das dazu, dass die deutschen Alternativen aus Veranstaltersicht beim Booking gerade ziemlich hart umkämpft werden.
Jazzhaus Freiburg soll als Modellprojekt Pate für die komplette Veranstaltungsbranche im Südwesten Pate stehen
Einen ziemlich bedeutsamen Modellversuch, um wieder mehr in Richtung Normalität zu kommen, hat seit dieser Woche das Jazzhaus in Freiburg gestartet, erzählt uns der zuständige Veranstaltungsleiter Nico Schrader. Ähnlich wie bei der vorzeitigen Wiedereröffnung des Europa-Parks untersuchen hier Forscher unter streng kontrollierten Bedingungen die Wirksamkeit verschiedener Hygienekonzepte. Anhand von Probe-Events mit begrenztem Publikum wollen sie herausfinden, wie sich Konzerte in dem traditionsreichen Gewölbekeller wieder sicher durchführen lassen.
Zunächst geht das nur als bestuhltes Event für maximal 100 Menschen mit viel Abstand. Dann als nächster Schritt ein etwas lockereres Sitzplatzkonzert mit 200 Gästen und wenn das alles klappt, vielleicht auch irgendwann wieder ein Stehkonzert, wo bis zu 400 Leute wieder vor der Bühne mittanzen dürfen.
Sind die Ergebnisse der überprüften Konzepte aus dem Jazzhaus am Ende vielversprechend, will das Gesundheitsministerium sie auch auf die komplette Veranstaltungsbranche in Baden-Württemberg übertragen, so Schrader.
Das dürfte aber nach den bisherigen Vorgaben im frühesten Fall voraussichtlich Mitte Juli der Fall sein - und auch da handelt es sich zunächst nur um einen Zwischenbericht innerhalb des Modellprojekts, nach dem dann erst noch einmal neu entschieden werden soll.
(fw)