Für viele Menschen in Gundelfingen ist am Wochenende Ausnahmezustand angesagt: Das Regierungspräsidium Freiburg sucht dort ab dem Sonntagmorgen nach bis zu vier Weltkriegs-Blindgängern. Bereits vor Jahren hatten Experten historische Luftbildaufnahmen der alliierten Streitkräfte ausgewertet, so war der Verdacht aufgekommen, dass unter Gundelfingen noch Sprengsätze vergraben liegen könnten, die nach ihrem Abwurf nicht explodiert waren. Sondierungsbohrungen und Vermessungsarbeiten haben diesen Verdacht 2014 dann erhärtet. Das größte Problem ist jedoch der mögliche Fundort der Bomben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit liegen sie unter der heutigen B3 und der B294 - und sind eventuell sogar noch scharf. Die Bundesstraße ist jedoch stark befahren und in direkter Umgebung stehen Wohnhäuser und sind zahlreiche Unternehmen ansässig.
Deshalb der Beschluss: Aus Sicherheitsgründen müssen am Sonntagmorgen ab 08:00 Uhr über 2300 Menschen in Gundelfingen ihre Häuser und Betriebe verlassen. Ab 06:00 Uhr werden außerdem die betroffenen Bundesstraßen gesperrt. Das Regierungspräsidium Freiburg rechnet mit einem Mindestabstand von 500 Metern um jede der vier Suchstellen, in dem sich keine Person aus den Experten mehr aufhalten darf. Die genauen Evakuierungspläne hat die Gemeinde auch online gestellt. Dabei ist noch überhaupt nicht gesagt, ob tatsächlich an allen vier Orten auch wirklich Sprengköpfe zu finden sein werden, ergänzt Behördensprecher Markus Adler im baden.fm-Interview. Die betroffenen Haushalte und Unternehmen haben bereits Post von der Gemeinde Gundelfingen erhalten, im Ortsblatt wurde außerdem ausgiebig auf die Situation hingewiesen. Trotzdem sollen am Sonntag noch einmal rechtzeitig Polizisten mit Lautsprecherwagen durch die Straßen fahren und auch den letzten Anwohner aus den Gebäuden holen, so Adler. Wer sich trotz aller Informationen weigert, sein Gebäude zu verlassen, muss mit Zwangsmaßnahmen rechnen, ergänzt Polizei-Einsatzleiter Berthold Fingerlin. Zu groß wäre die Gefahr, dass es selbst bei einer möglichen kontrollierten Sprengung andernfalls zu Schäden an Häusern kommen oder es sogar Verletzte geben könnte.
Sobald das Gelände einmal abgesperrt ist, sorgt ein Großaufgebot des Freiburger Polizeipräsidiums mit Hilfe der Bereitschaftspolizei und einem Polizeihubschrauber dafür, dass sich niemand mehr in die umliegenden Straßen begeben kann. Kontrollen und Absperrungen an allen Zufahrtswegen sollen dabei nicht nur Katastrophentouristen und Sensationslustige draußen halten, sondern im Extremfall auch Plünderungen verhindern, erklärt uns Fingerlin. Zwar sei es in unserer Region bislang noch nie dazu gekommen, man dürfe das Szenario aber nicht außer Acht lassen.
Die Frage, wie lange die Such- und Entschärfungsaktion dauert, kann bislang nicht wirklich beantwortet werden. Es hängt von vielen kleinen Faktoren ab: Wie schnell kann die exakte Lage der möglichen Bomben bestimmt werden? Wie leicht kann der Kampfmittelbeseitigungsdienst sie ausgraben? In welchem Zustand befindet sich der Zünder? Diese Entscheidungen können die Einsatzkräfte erst dann treffen, wenn sie vor Ort bereits entsprechend vorangeschritten sind. Weil die Sicherheit der Beamten vor Ort außerdem Vorrang hat, muss der Einsatz mit entsprechend langsamem Tempo erfolgen, heißt es. Realistisch wäre ein Ende am frühen Nachmittag, wenn alles glatt läuft, sagt uns Fingerlin. Wenn es Probleme geben sollte, kann sich der Einsatz auch bis in den späten Nachmittag oder die frühen Abendstunden ziehen.
Wer nicht in seinem Haus bleiben kann, aber Gundelfingen für die unbestimmte Dauer der Arbeiten nicht verlassen kann oder möchte, für den haben die Behörden in der örtlichen Turn- und Festhalle einen Anlaufpunkt eingerichtet, bestätigt uns der Gundelfinger Hauptamt-Leiter Peter Ficht. Dort können alle Betroffenen unterkommen und erhalten auch Getränke und Betreuung vom Deutschen Roten Kreuz. Außerdem will Gundelfingen für die Dauer des Wochenendes eine telefonische Info-Hotline schalten, bei der man sich über den aktuellen Stand der Entschärfungsarbeiten informieren kann (Tel. 0761/5911-820 oder 0761/5911-821). Ein etwas anderes Angebot, wie Anwohner ihre Zeit verbringen können, machen außerdem mehrere Gundelfinger Gaststätten. Im örtlichen Nachrichtenblatt haben sie humorvoll mit "Bombenfrühstück" am Sonntagvormittag geworben.
So hoffen alle Beteiligten, dass die Bombensuche erfolgreich sein wird und die Sprengkörper gar nicht erst kontrolliert zur Explosion gebracht werden müssen. Sollte es nämlich tatsächlich zu Schäden durch die mögliche Detonation kommen, gibt es in Deutschland keine eindeutige Rechtslage, wer für die Schäden aufkommt. Denn der Bund haftet nur für die Schäden von früheren "reichsdeutschen" Blindgängern, bei alliierten Bomben übernimmt das Land lediglich die Kosten für die Suche und den Transport - nicht aber eventuelle Folgekosten wie entstandene Gebäudeschäden. Im Zweifelsfalls sollten Hauseigentümer die Konditionen ihrer Gebäudeversicherung rechtzeitig überprüfen, rät Ficht. Denn auch hier zahlen nicht alle Versicherungen für die Schäden durch Bomben.